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Freiheit statt Angst – Ein paar Eindrücke

Die Demonstration gestern kann wohl als voller Erfolg bezeichnet werden, darin sind sich alle Beteiligten einig. Die Veranstalter sprechen von 25.000 Teilnehmern, was sich mit meiner gefühlten Wahrnehmung auch irgendwie deckt. Ich hatte das Gefühl, dass sich sehr viele Menschen um mich herum befanden.

Inhaltlich ist es allerdings schwierig, ein eindeutiges Urteil zu fällen. Ich kann vieles unterschreiben was gesagt wurde, aber auch nicht alles. Ein paar der Forderungen wirkten für mich einfach fehl am Platz. Zum Beispiel hat ein Redner angeprangert, dass es ja wohl irgendwie doof wäre, wenn man gegen Überwachung und für Datenschutz demonstriert, während man gleichzeitig Fotos mit detaillierten Geo-Informationen im weltweiten Netz  veröffentlicht. Man kann sich ja für den verantwortungsvollen Umgang mit sozialen Netzwerken stark machen, aber auf einer Demo gegen staatliche Überwachung ist das eine dreiste Verharmlosung und spielt nach meinem Empfinden den Überwachungsbefürwortern nur unnötig in die Hände.

Auch sonst gab es hier und da Trittbrettfahrer, die die Gelegenheit für ihre Anliegen genutzt haben, die nur ganz periphär mit dem Thema zu tun hatten.

Aber im Großen und Ganzen waren sich eigentlich alle einig, wer die Bösen und wer die Guten waren. Also, die – vermeintlich – Guten waren alle da, CDU und NPD nicht.

Dass die Parteien die Gelegenheit nutzen würden, um sich im Wahlkampf zu profilieren, war klar und auch nicht unbedingt schlecht. Ich fand es aber ganz angenehm, dass auf der Eröffnungsveranstaltung mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass dies keine Partei-Veranstaltung sei und dass man sich zumindest bei der Eröffnungsrede mit der Parteisymbolik zurückhalten möchte. Daran haben sich fast alle gehalten, andererseits lassen sich Transparente und Fahnen nicht in Luft auflösen, ne?

Fahnen gab es sehr viele, bevorzugt in der Farbe Orange. Die Piraten waren ganz eindeutig am besten repräsentiert und dank des 15-Tonners aus dem Loveparade-Keller auch am lautesten. Das war schon cool und hat Erinnerungen an alte Zeiten wieder hervorgebracht, wo man noch ohne echten Grund demonstrieren konnte. Aber ich hab ein sehr mulmiges Gefühl wenn so viel Euphorie auf Politik trifft. Fahnen, Parolen, Jubel. Ich weiß nicht, ich bin da nicht der Typ für.

Während der Abschlusskundgebung ist die grundsätzlich gute, entspannte und friedliche Stimmung gekippt. Auf einmal rannten überall Polizisten im Einsatz-Dress durch die Mengen. Mal in die eine Richtung, dann in die andere. Was da los war konnte ich aus meiner Position nicht erkennen. Mittlerweile macht ein Video die Runde, die zumindest einen der Vorfälle dokumentiert:

freiheit statt angst / freedom not fear – demo 12.09.2009 from Gerd Eist on Vimeo.

Ich habe schon ein paar solcher Einsätze beobachten können, in der Walpurgisnacht oder am ersten Mai. Da gibt es diese Typen, die nur auf den Krawall warten und auf provozieren und da kann ich es auch ein klein wenig verstehen, wenn die Polizisten nervös sind und auch auf Kleinigkeiten höchst sensibel reagieren. Aber selbst da bemüht sich die Polizei um Deeskalation. Gestern hingegen waren nur friedliche Nerds auf der Straße. Viel harmlosere Menschen wird man in diesem Land nicht finden, das gewaltbereite Potential dürfte verschwindend gering gewesen sein. Am Anfang wurde der Polizei sogar noch applaudiert, für die entspannte Zusammenarbeit mit den Veranstaltern. Also womit rechtfertigt man dieses unverhältnismäßige Verhalten?

Auf der anderen Seite hätte es keine bessere PR für die gute Sache geben können. Keine Rede, kein Plakat und keine Parole hätte anschaulicher zeigen können, welche hässliche Formen staatliche Willkür annehmen kann. Das Video ist bereits am Sonntag durch alle relevanten Medien gegangen und hat es sogar über die Grenzen Deutschlands hinweg ins Ausland geschafft. Ich denke, langfristig wird es für mehr Unterstützung sorgen. Angesichts der schnellen Reaktion der Polizei, ist es auch schön zu sehen, welche Macht das Internet doch haben kann.

Bei Spreeblick steht auch noch ein recht passender Kommentar zu der Geschichte und Fefe hat die Verbreitung des Videos dokumentiert und auch noch ein paar Hintergründe parat und Sascha Lobo hat ganz gut in Worte gefasst, wie ich mich gefühlt habe, als ich den Clip das erste mal gesehen habe. Die Polizei hat eine Presseerklärung zu dem Vorfall herausgegeben, wozu ein Augenzeuge eine Gegendarstellung verfasst hat. Wenn man bei Google nach Freiheit statt Angst googelt sucht, findet man unter den ersten drei Treffern einen Link zur Bild(!!!), der sich mit dem Thema beschäftigt.

Ich ziehe ein positives Fazit. Man hat das gute Gefühl, etwas getan zu haben. Ob man damit auch wirklich was bewegt, wird sich zeigen wenn in zwei Wochen das Wahlergebnis fest steht. Und dann hoffentlich innerhalb der nächsten vier Jahre …

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