in live

Gorillaz

Was erwartet einen, wenn man zu einem Konzert geht einer Band geht, die zu gleichen Teilen aus Comic-Figuren, Gast-Stars und Damon Albarn besteht? Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, habe aber angesichts der gesalzenen Ticketpreise darauf spekuliert, dass man sich nicht allzu billig aus der Affäre zieht.


Gorillaz feat. Snoop Dogg

Ein erstes Indiz, dass das Gorillaz-Ensemble am vergangenen Sonntag halbwegs vollständig im Velodrom auftreten würde, war die Liste der Vorbands des Abends. Little Dragon und De La Soul sind beide gern gesehene Gast-Vokalisten auf den letzten Alben. Das klang vielversprechend.


De La Soul

Ich habe von den Vorbands allerdings nur noch De La Soul mitbekommen, die eine sympathische Show abgeliefert haben. Meine De La Soul – Kenntnisse beschränken sich auf die Songs, die sie mit den Gorillaz aufgenommen haben, insofern konnte ich sehr unbefangen an die Sache rangehen.

So richtig gefallen wollte es mir trotz aller Oldschool-HipHop-Sympathie aber nicht. Die MCs haben ausschließlich ins Mikro gebrüllt und der Sound war sehr laut aufgedreht, was zur Folge hatte, dass alle Songs im Gebrüll untergingen und in den Ohren schmerzten. Ich hatte eine dunkle Vorahnung, was den Rest des Abends betraf.


Gorillaz

Ich würde jetzt gerne irgendwie positiv mit dem Auftritt der Gorillaz beginnen, aber wo wir schon beim schlechten Sound waren: Meine Vorahnung sollte sich bestätigen. Es war einfach zu laut. Das schöne Orchestral Intro – gespielt von einem beinfreibekleideten und matrosenbemützten Streicherinnen-Septett – hätte wirklich Eindruck machen können, so war es aber schmerzhaft bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.

Das betraf leider alle Songs, die in den höheren Tonlagen spielten oder in denen die Gast-MCs von De La Soul mitrappten. Und das sind ja bekanntlich nicht wenige.


Gorillaz

Ok, der Sound war scheiße – hätten wir das geklärt. Was gab es denn sonst noch so? Zunächst war da ganz allgemein die Bühne mit der Video-Leinwand und den großen Buchstaben und den beinfreien Streichermatronen. Auf der Leinwand durften sich die Comic-Charaktere austoben, zu jedem Song lief entweder das passende Video oder passend geschnittene Skizzen, Bilder, Animationen und/oder Filme. Das klingt banal, war aber ehrlich gesagt ziemlich beeindruckend. Ich stecke gerade mitten in meiner Comic-Phase, von daher wusste ich die gebotenen Bilder sehr zu schätzen.

Im Prinzip wurde über das gesamte Konzert eine mehr oder weniger zusammenhängende Story erzählt, die in etwa mit der Storyline des aktuellen Albums Plastic Beach zutun hat, aber auch immer wieder aus selbiger ausbricht, um völlig andere Dinge zu erzählen und zu zeigen. Zombies, Zombie-Gorillas, Geister, Bruce Willis, Fliegende Windmühlen-Inseln, Killer-Pottwale und so weiter. Selbst wenn ich mich an die Hälfte der Dinge erinnern könnte, es würde den Rahmen hier sprengen.


Gorillaz

Unter der Leinwand, direkt vor den großen Buchstaben G, O, R, I, L, L, A und Z, versammelten sich die Musiker und derer gleich sehr sehr viele. Das beinfreibekleidete und matrosenbemützte Streicherinnen-Septett erwähnte ich schon, oder? Darüber hinaus gabs einen Bassisten, einen Rhythmus-Gitarristen (Paul Simonon und Mick Jones von The Clash), zwei Drummer, vier Background-Sängerinnen, drei Keyboarder und eine Bläsersektion. Hab ich wen vergessen? Ach ja, Damon Albarn war auch noch da, immer und überall.


Gorillaz

Und weil die Bühne mit den wenigen Leuten etwas leer wirkte, hat man kurzerhand eine Busladung Gäste mitgebracht. Da waren die beiden Vorbands – De La Soul und Little Dragon, Bobby Womack, Neneh Cherry, ein syrisches Orchester aus Damaskus und bestimmt noch ein paar mehr, meine Notizen sind zwischendurch etwas unleserlich geraten. Wer nicht in den Bus passte, wurde per Video-Konserve zugeschaltet, so wie Kollege Snoop Dogg.

Da war ordentlich was los auf der Bühne. Ein Kommen und Gehen, ich sag euch. Ich hab so gut wie nichts davon gesehen, weil ich ziemlich weit hinten stand – das beinfreimatrosenbemützte Streicherinnen-Septett und die Gästeliste hab ich vom Spiegel abgeschrieben.

Gorillaz – White Flag

Aber ich habe umso mehr gehört und das klang – mal abgesehen von den eingangs erwähnten soundtechnischen Defiziten – sehr beeindruckend. Es hat einfach Stil, wenn die Original-Sänger oder -Rapper dabei sind und ihren Part live beisteuern. Das konnte zwar auch schief gehen, wie ausgerechnet beim finalen Höhepunkt Clint Eastwood, den De La Soul ins Unkenntliche niedergebrüllt haben. Aber das konnte auch absolut fantastisch sein, wie bei Feel Good Inc., den die gleichen De La Souls überhaupt erst lebendig werden ließen.

Ausgerechnet die Einlage des syrischen Gastorchesters hinterließ bei mir einen etwas schalen Beigeschmack. Der Song White Flag beginnt mit den syrischen Klängen, die dann mit den Beats und Raps der Gorillaz zu einer Einheit verschmelzen. In der Live-Version hingegen wurden die feinen Klänge der Syrier brutal von den Beats erschlagen und von den MCs niedergebrüllt. Vielleicht ist das meiner Fantasie geschuldet, aber das hatte eine fragwürdige Symbolik. Wie auch immer, der Song klingt auf dem Album deutlich besser.


Gorillaz

Ruhepunkt in all dem Chaos war Damon Albarn und das, obwohl er eigentlich zu keinen Zeitpunkt ruhig an einem Platz verharrte. Genauso wie sein Gesang fast allen Songs ein verlässliches Fundament gibt, hielt auch seine Bühnenpräsenz die Show zusammen. Ich halte den Mann für ein musikalisches Genie – alles was der anfasst wird zu Gold, im Studio wie auch auf der Bühne – allein seinetwegen hat sich der Abend schon gelohnt.

Es hätte das Konzert des Jahres werden können. Die Zutaten waren perfekt, alle Superlative waren beisammen. Nur der Sound war scheiße. Ach Mann…