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Halbmarathon


Zieleinlauf

Geschafft.

Irgendwie.

So, naja.

Aber ich lebe noch und bin auf den ersten Blick auch gesund, auch wenn es sich nicht so anfühlt. Das ist ja das wichtigste. Weil meine Lieblingsfotografin wieder so tolle Bilder gemacht hat, gibt es auch wieder das bewegte Kurz-Vor-Ziel-Einlauf-Bild. So hundertprozentige Zufriedenheit vermag ich darauf jedoch nicht auszustrahlen. Obwohl ich es mit einer Netto-Laufzeit von 2:47:20 noch rechtzeitig vor dem Besenwagen ins Ziel geschafft habe und damit mein persönliches Ziel eigentlich erreicht habe.

Die letzten Kilometer waren sehr schmerzhaft und schwierig. Zwischendurch musste ich den einen oder anderen Kilometer sogar gehen, weil weder meine Kondition noch meine Muskeln oder Knochen oder Sehnen oder was auch immer mitgespielt haben. Spaß gemacht hat es mir also nicht und ich verkünde hiermit offiziell, dass ich mich auf der Höhe meines Erfolges aus der Disziplin Halbmarathon verabschiede.


Gute Stimmung vor dem Start

Was ist schief gelaufen? Im Training letzte Woche habe ich das doch auch hinbekommen. Experten meinen nun, das sei schon der erste Fehler gewesen. Eine Regeneration von nur einer Woche sei zu kurz für den Körper – heute morgen hielt ich das noch für absurd.

Den Trainingslauf am Mittwoch hätte ich mir wohl sparen, oder ihn zumindest ruhiger angehen sollen. Der steckte mir noch spürbar in den Knochen.

Wenig hilfreich wird es gewesen sein, dass ich in der vergangenen Nacht kaum ein Auge zugemacht habe – total albern: Vor Aufregung! Und dass heute die Sonne schien, kam ja auch eher überraschend, immerhin hatte ich mich gerade noch mit kostspieligen Laufklamotten für genau die Wetterbedingungen eingedeckt, unter denen ich trainiert habe.


Ein zerstörter Toba danach

Möglicherweise war auch meine Strategie falsch oder zumindest falsch umgesetzt. Die ersten 10 km habe ich mit flotten 1:11:32 hinter mich gebracht. Wahnsinnig schnell angefühlt hat sich das nicht, immerhin wurden mein Laufpartner und ich beständig überholt. Meine Herzfrequenz hielt sich auch in für mich üblichen Grenzen. Aber es ist nicht auszuschließen, dass ich ein wenig überpaced habe.

Ich schätze, alle Faktoren zusammen genommen sprachen heute einfach gegen mich. Ich habe meine Lektion gelernt und stelle voller Demut fest: Man sollte Leistungssport nicht auf die leichte Schulter nehmen.


Der Hund hat meine Medaille geklaut! Der Hund!

Während man so knappe 3 h durchs sonnige Berlin joggt, kommen einem allerhand komische Gedanken in den Kopf. Ist es wirklich sinnvoll, in einer versmoggten Stadt einen Halbmarathon laufen zu lassen? Und dabei aufblasbare Werbeaufbauten an die Strecke zu stellen, deren Luftdruck mit Dieselgeneratoren gehalten wird? Hätte ich jetzt weniger Blasen an den Füßen, wenn ich Socken ohne Löcher angezogen hätte? Und wäre Sonnencreme am Ende doch eine gute Idee gewesen?

Oh Gott, kann der Typ auch noch was anderes, als jammern?

Ja, sorry, mir gehts wirklich gerade etwas schlecht. Ich leide. Aber es war ja nicht alles schlecht. Ganz im Gegenteil, ich war auch sehr beeindruckt heute und das lag an den Leuten. Die Leute, die über 21 km verteilt an der Strecke standen und ordentlich Stimmung gemacht haben, ob in Form einer Samba-Trommel-Band-Truppe oder als Familie mit Ratschen oder sonstigen Krachmachern in der Hand. Wahnsinn, was die für eine Energie hatten, das hat echt motiviert. Danke!

Als ich zwischen Kilometer 19 und 20 gerade kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen konnte, versuchte mich eine Drummerin mit einem Drumsolo zu motivieren. Das war toll. Ich mein, wer sagt schon nein zu einem Drumsolo? Liebes Drummer-Mädchen: Vielen Dank. Es hätte funktioniert, wenn mir die Physik nicht im Wege gestanden hätte.

Dann waren da die vielen Freiwilligen, die Getränke ausgegeben haben oder für Ordnung auf der Strecke gesorgt haben. Auch hier ein großes Dankeschön, war bestimmt nicht immer angenehm. Euer Versuch, mich an der letzten Getränkeausgabe mit den Worten Nur noch 4 km! Ihr schafft das! zu motivieren schlug jedoch vollständigst fehl!


Atomkraft? – Nein, Danke!

Etwas problematisch war für mich und viele andere im Vorfeld der Umgang mit dem Hauptsponsor des Laufs, in der aktuellen politischen Situation kein Wunder. Einige warfen den Teilnehmern sogar Unterstützung beim sogenannten Greenwashing vor.

Aber so einfach ist das nicht und so einfach hat es sich das Teilnehmerfeld auch nicht gemacht. Der Protest war mehr als präsent an der Strecke und dabei auch sehr kreativ. Überall die kleinen gelben Fähnchen, hier und da größere Schilder und fast jede Startnummer war so verschönert, wie meine:


Zwischenfall

Also, ich mein das Zwischenfall, wo normalerweise der Name des Hauptsponsors steht. Dass sie arg zerknittert ist, liegt an der vorrübergehenden Lagerung im Wäschesack.

Danke an die Leute, die das organisiert haben und uns mit dem Material versorgt haben. Es gab auch coole Sticker für die Rückennummer mit Sprüchen wie Ich bin auch ohne Radio aktiv oder Die kürzeste Laufzeit gewinnt, welchen ich bis Kilometer 3 oder 4 trug, bevor meine Transpiration den politischen Protest beendete.

Nein Greenwashing war das nicht. Die Menschen lassen sich die sportliche Herrausforderung nicht durch Marketing mies machen, sondern nutzen sie als Bühne für ihre eigene Botschaft.


Wanda – Der Hund bei ihrer Erwärmung

Zu guter Letzt möchte ich mich noch bedanken: Bei meiner treuen Fanbase an der Strecke, überhaupt an jeder Strecke bisher! Bei meinem Laufpartner Bert: Der hat mir zwar überhaupt erst den Floh vom Halbmarathon ins Ohr gesetzt, sich dafür aber auch rührend um mich gesorgt, als mir auf der Rückfahrt in der U-Bahn fast das alkoholfreie Hefe wieder hochgekommen wäre. Und bei allen, die mir die Daumen gedrückt und aufmunternde Nachrichten geschickt haben.

Und jetzt schleppe ich meine schmerzenden Knochen in Richtung Sofa, wo ich hörbar leidend den restlichen Abend verschlafen werde.

  1. Mein armes Kind, ich fühle mit Dir. Bin aber trotzdem riesig, riesig stolz auf Dich und Deine Leistung.
    Alles wird gut!

  2. grenzerfahrungen braucht der mensch. bin auch mächtig stolz. ich sollte vielleicht auch mal wieder, hab schon vergessen wie der schmerz sich anfühlt…

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  • Wasserschlacht um den Kurfürstendamm | sixumbrellas 5. April 2011

    […] als sich bei der gestrigen Berliner Citynacht über 10.000 Teilnehmer an den 10 km versuchten. Nach Halbmarathon und Teamstaffel war es für mich der dritte Lauf in diesem Jahr und ich muss sagen, dass sich […]

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    […] Laufevent bringt seine ganz eigenen Herausforderungen mit sich. War beim Halbmarathon das umfangreiche Training die große Hürde, die es zu überwinden galt, stand bei der […]