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Theater Ist Böse

Es gibt Geschichten, die kann man sich nicht ausdenken, die müssen einfach passieren. Amanda Palmer hat ein neues Album gemacht (sixumbrellas berichtete), mit dem Titel Theatre Is Evil – zu Deutsch: Theater Ist Böse. Die erste Show der dazugehörigen Tour fand im Roten Salon statt, der direkt an die Volksbühne grenzt. In der Volksbühne werden üblicherweise Theaterstücke aufgeführt, während im Roten Salon gerne laute Musik präsentiert wird. Findet beides gleichzeitig statt, gibt es Probleme:

(Grob & jugendfrei übersetzt: „Die Volksbühne hat mir gerade gesagt, dass nebenan ein Theaterstück aufgeführt wird und wir kein Schlagzeug benutzen dürfen. Wir haben ein ernsthaftes Problem!“)

Der Einlass verzögerte sich bereits, als ich das bei Twitter las. Anschließend konnte man dank Twitter einen kleinen Einblick in das bekommen, was hinter den Kulissen so passierte. Amanda Palmer war angepisst, übte sich in deutschen Schimpfworten und war bereits auf der Suche nach einer Ersatz-Location – sogar erfolgreich.

Aber soweit kam es zunächst nicht. Die Tür öffnete sich und das Publikum versammelte sich gespannt im Roten Salon.


Simple Pleasure

Mit etwas Verspätung kam Amanda auf die Bühne, erklärte die Situation und stellte die erste Vorband vor – Simple Pleasure – die zunächst mit gebremstem Schaum aufspielen mussten. Das war auch gar nicht schlimm, im Gegenteil, Simple Pleasure haben auch in der leisen Version viel Spaß gemacht. Sie sind so eine Art Disco-Funk-House-Band mit lustiger Choreographie und auch privat recht sympathisch.

So weit, so gewöhnlich. Die zweite Vorband war schon etwas schwieriger und gleichzeitig optimal: Schwierig für das Publikum, denn es war ein vierköpfiges Streicherinnen-Quartett plus Bassistendirigent. Die Musik war natürlich nicht schlecht, aber so richtig zünden wollte das zu dem Zeitpunkt beim Publikum auch nicht. Der Abend zögerte sich immer weiter raus, die Temperatur im Roten Salon stieg merklich an und Geduld wurde langsam knapp.

Optimal war es natürlich für das Theaterstück nebenan, denn die Streicherinnen waren von Natur aus deutlich leiser.


Amanda Fucking Palmer

Irgendwann gegen 23 Uhr – also knappe 3 Stunden nach dem geplanten Einlass – kam Amanda Palmer mit ihrer Band The Grand Theft Orchestra auf die Bühne. Sie erklärte dann auch den Plan: Sie hatten in Anbetracht der Situation ihr komplettes Set umgestellt und die ruhigen Songs an den Anfang gesetzt. Da das aber nicht so viele Songs waren und sie eigentlich ja auch rocken wollte, hat sie für den Fall, dass wir wegen Ruhestörung rausgeschmissen werden, eine Ersatz-Location klar gemacht. Also ging es los.


Amanda Fucking Palmer

Das mit den ruhigen Songs am Anfang hatte so seine Vorteile: Man konnte sie nämlich noch ganz gut verstehen und die Texte etwas mitverfolgen, die bei ihr ja doch immer recht unterhaltsam sind. Außerdem hatte sie Anfang des Abends noch eine intakte und wohlklingende Stimme, das sollte sich hinten raus noch ändern.

Als die ruhigen Songs aus waren, wurde das vierköpfige Streicherinnen-Quartett durch ein vierköpfiges Bläser-Quartett ausgetauscht. Es wurde laut. Nach zwei Songs etwa kam die erste Beschwerde von nebenan. Man bat die Band, doch noch für 10 Minuten etwas leiser zu sein, bis das Stück vorbei wäre. Man muss sie für ihr Fair Play insgesamt echt loben, sie und ihre Band haben sich wirklich Mühe gegeben, sich an die Umstände anzupassen. Die 10 Minuten hat sie dann elegant ihrer Ukulele überbrückt.


Amanda Fucking Palmer

Es war halb zwölf, als die Show endlich laut sein durfte. Man hörte die neuen Songs von dem bald erscheinenden Album und ein paar alte Sachen, wie Map of Tasmania. Als die Keytar ausgepackt wurde, wurden wir Zeuge einer vermutlich (hoffentlich) einzigartigen Rap-Version von Last Christmas und bei einem Song, den ich eigentlich den Dresden Dolls zuordnen würde, gab es auf der Bühne etwas zu bestaunen, dass aussah wie die Reise nach Jerusalem, nur mit Instrumenten, statt Stühlen. (Ah, der Song heißt Missed Me und ist tatsächlich von den Dresden Dolls.)

Abgesehen von den Problemen mit dem benachbarten Theaterstück, lief auch sonst nicht alles glatt während des Auftritts. Während der ganzen Show gab es Probleme mit dem Ton. Der Tonmann hinten sah ziemlich gestresst und unglücklich aus. Das hat der Stimmung vor oder auf der Bühne aber nicht geschadet, im Gegenteil. Trotz ihrer Abneigung gegen das Theater, sind ihre Auftritte ja selbst fast sowas wie Theaterstücke. Die ganzen Katastrophen rund um die Veranstaltung haben nur noch für mehr Handlung auf der Bühne gesorgt.

Amanda Palmer ist eine außergewöhnliche Künstlerin und ich bin froh, dass ich die Gelegenheit hatte, sie live zu sehen, obwohl ihre Musik eigentlich gar nicht so meine Baustelle ist. Am Ende – so um halb eins – gab es noch einen Song als Zugabe, bevor ihre Stimme sich verabschiedete und wir die Sauna namens Roter Salon glücklich und zufrieden verlassen durften.