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Leistungsschutzrecht

Ich habe mir gerade die Bundestagsdebatte zum Leistungsschutzrecht live angeschaut und jetzt das Gefühl, dass ich unbedingt meine Meinung hier in dieses Internet reinschreiben muss. Denn es besteht die konkrete Gefahr, dass dieses Gesetz tatsächlich eines Tages beschlossen wird.

Worum geht’s?

Das Leistungsschutzrecht soll Presseverlegern die Möglichkeit geben, schon bei der Verwendung kleinster Textausschnitte aus Artikeln (sog. Snippets) durch gewerbliche Suchmaschinen und sogenannte Aggregatoren Gebühren einzufordern. Die ganze Sache richtet sich mehr oder weniger direkt gegen Google, das in der Suche und in Google News kurze Auszüge aus gefundenen Webseiten oder Artikeln unter den Links anzeigt. Die Presseverlage argumentieren jetzt, dass es ja nicht sein könne, dass Google – durch Werbeanzeigen auf seinen Seiten – an den Inhalten anderer verdient.

Und warum sollte uns das interessieren?

Das klingt auf den ersten Blick vielleicht sogar einleuchtend, mindestens jedoch langweilig. Was geht uns das an, wenn Presseverlage sich mit Google anlegen? Nun, da gibt es mehrere Ebenen auf denen dieser Gesetzesvorschlag problematisch ist.

Zum Beispiel kennen Blogger die ewige Diskussion um die Gewerblichkeit eines Webangebotes leider zu gut. Die Definition, ob eine Webseite gewerblich agiert oder nicht, ist in dem Gesetz nicht definiert und soll später der Rechtssprechung überlassen werden. Aus der Vergangenheit weiß man, dass deutsche Gerichte sehr unterschiedliche Antworten auf diese Frage parat haben. Macht ein Werbebanner aus einem Blog ein gewerbliches Angebot? Ein Affiliate-Link zu Amazon? Wo verläuft die Grenze zwischen Blog und Aggregator?

Für Hobby-Autoren im Netz schafft ein solches Gesetz dramatische Rechtsunsicherheit. Wir wissen aus der aktuellen Debatte um die Abmahnungen gegen deutsche Blogger, dass es genug Individuen da draußen gibt, die mit fragwürdigen Geschäftsmodellen Drohkulissen aufbauen, um genau solche Rechtsunsicherheiten auszunutzen. Genug Blogger scheuen im Falle einer Abmahnung die drohenden und mitunter existenzbedrohlichen Anwaltskosten und zahlen lieber. Langfristig kann man schon heute davon ausgehen, dass dieses Gesetz in Deutschland Kultur verhindern wird. In den Punkten ist die Regierung offenbar auch gar nicht gewillt, Klärung zu schaffen – auch wenn das in der Debatte anders behauptet wurde. Aber niemand kann mir sagen, dass die bereits drei Jahre (!) an diesem Gesetz arbeiten, ohne hier klare Regelungen zu formulieren. Ich muss das so verstehen, dass sie das gar nicht wollen.

Es ist noch nicht einmal konkret geklärt, ob Links, die heutzutage üblicherweise Teile der Überschrift eines Artikels enthalten, von diesem Leistungsschutzrecht betroffen sein werden. Muss man sich mal vorstellen. Links.

Ich persönlich müsste schlicht und ergreifend mein gesamtes Archiv offline nehmen, weil ich nicht ausschließen kann, dass sich in den Tiefen dieses Blogs Inhalte verstecken, die irgendwie durch dieses schwammige Gesetz angreifbar wären. Das wär vielleicht kein großer Verlust für die deutsche Kultur, aber die gleichen Überlegungen werden alle anderen Blogger in Deutschland auch anstellen.

Ach ja, die Rechtsunsicherheit würde im übrigen auch dazu führen, dass deutsche Verlage keine Links mehr von deutschen Blogs bekommen. Am Ende weiß man als Blogger ja auch gar nicht bei jedem Online-Auftritt, welcher Verlag mit welche Rechtsauffassung dahinter sitzt.

Ok, für Blogs ist das schlecht. Und sonst so?

Was kulturfeindlich ist, wird auch innovationsfeindlich sein. Google kann es sich am Ende leisten, mit den Verlagen einen Gebührensatz auszuhandeln, junge Startups mit cleveren Geschäftsideen nicht. Die werden dann im Ausland gegründet.

Was ist mit Google?

Ja, was ist mit Google. Google ist groß, amerikanisch und voller Geld. Warum sollten wir uns auf die Seite eine amerikanischen Konzerns stellen, einem Monopolisten gar? Gute Frage, aber leider die Falsche. Nur weil Google böse ist, wird ein schlechtes Gesetz nicht gut. Man kann die Stellung von Google gerne in Frage stellen und kritisieren, aber nicht mit dem Leistungsschutzrecht bekämpfen.

Wenn das Gesetz wirklich kommt, wird sich Google mit den großen Verlagen einigen oder nicht. Vielleicht zahlt Google sogar irgendwas, oder aber es versetzt den Verlagsangeboten, die sich nicht flexibel genug gezeigt haben, den finalen Todesstoß der Auslistung. Ein Online-Angebot, dass nicht bei Google zu finden ist, existiert schlicht und ergreifend nicht, kriegt keine Besucher, kann keine Werbung verkaufen und wird verschwinden. Also noch mehr. Andere Suchmaschinen werden sicher ähnlich verfahren.

Nein, um Google & Co. mache ich mir keine Sorgen. Google wird nicht arm dadurch. Aber es wird auch kein Verlag wirklich reich werden. Na, vielleicht kassieren die großen nennenswerte Beträge. Wer weiß. Aber es wird den Qualitätsjournalismus in Deutschland nicht retten. Stattdessen wird es Rechtsunsicherheit schaffen und Deutschland in der Netzkultur um Jahre zurückwerfen.

Was noch?

Ach, das Thema ist eigentlich ziemlich komplex. Offenbar ist die Werbekrise das eigentliche Problem und die ganze Motivation für dieses Gesetz. Google hat ein funktionierendes Geschäftsmodell für diese neue virtuelle Welt und die Verlage nicht. Aber die Verlage haben noch eine gewisse Meinungsmacht und die Art und Weise wie sie dieses Gesetz auf den Weg bringen und forcieren sollte uns nachdenklich stimmen. Google hat jüngst in die Propagandaschlacht mit eingestimmt, mit einem eher schwachen Video. Das Echo in den Nachrichtenmedien dieses Landes war bemerkenswert: Wie kann ein wirtschaftliches Unternehmen es wagen, einseitig zu seinen Gunsten zu berichten?

Das ist an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten. Bei Stefan Niggemeier findet man viele schöne Artikel dazu, wie wirtschaftliche Unternehmen – Verlage zum Beispiel – ihre Position ausgenutzt haben, um einseitig in ihrer Sache zu argumentieren. Wenn man das liest, wird einem so ein wenig schlecht.

Und wie war jetzt die Debatte im Bundestag?

Gar nicht so schlimm, wie ich erwartet habe. Ok, die Sprecher der Regierungskoalition waren nur schwer erträglich. Das klang entweder komplett sinnlos, was die geredet haben oder war rhetorisch geschliffenes Rumgeschleime, ohne einen Funken Glaubwürdigkeit. Aber ich war überrascht, wie sachkundig und internetaffin die Opposition rüberkam. Da wurden Webseiten zitiert, Twitter-Witze gerissen und sehr fachkundig die Gegenargumente der Netzgemeinde dargelegt. Wenn ich sowas mal live verfolge, bekomme ich trotzdem immer Angst, um unsere politischen Entscheidungsprozesse.

Hoffen wir das Beste, dass dieses Gesetz die nächsten Beratungen nicht überlebt und eingemottet wird. Etwas öffentliche Meinung kann nicht schaden, also lest die verlinkten Artikel, sucht mal selbst etwas im Netz und verbreitet das ganze Zeug in euren Netzwerken.

  1. bis zu deinem beitrag,fand ich das gesetz eine tolle idee.so nach dem motto“google bekommt auf die fresse-Super“ aber jetzt ….ist das vieleicht doch eher suboptimal.
    bis dann. 😉

  2. Lest seine links vor allem so lange sie nicht gelöscht werden müssen! Die sagen nämlich zu viel über den Inhalt aus.

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