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Station Eleven

Es ist wahrlich kein neuer Trend, aber es lässt sich auch nicht abstreiten: Die Lust auf die Apokalypse ist allgegenwärtig. Sie kommt in Form von Zombieplagen oder Virusattacken und manchmal schauen wir uns an, wie die reorganisierte Zivilisation nach dem Zusammenbruch Teenager in Arenen oder Labyrinthe schickt. Es ist spannend und beängstigend sich mit der Ursache dieser Sehnsucht nach dem zivilisatorischen Reset zu beschäftigen. Der gemeinsame Nenner ist vermutlich Überforderung. Überforderung mit dem technischen Fortschritt, mit der Globalisierung, mit dem gesellschaftlichen Wandel. Was auch immer das individuell für jeden einzelnen sein mag, Überforderung ist allgegenwärtig. Es verdirbt einem die Laune, wenn man allzu genau darüber sinniert, wo diese Überforderung uns in mittelentfernter Zukunft hinführen vermag.

In diesem Zeitgeist taucht ein Buch wie Station Eleven von Emily St. John Mandel auf, das so gefühlvoll wie kaum eine andere Geschichte die Apokalypse nachzeichnet. Hier ist es ein Virus, das den Reset-Knopf drückt. Das ist nicht sonderlich innovativ, aber funktionell. Mandels Fokus liegt nicht auf dem Ausfantasieren unseres zahlreichen Abtretens, sondern was diese drastische Veränderung mit den Überlebenden macht. Es geht um die zukünftigen Sehnsüchte, nach unserer heutigen Gegenwart, analog zu unserer heutigen Sehnsucht nach unserer Vergangenheit. Tief in uns drinnen wissen wir eigentlich, dass es uns heute ziemlich gut geht, aber wir werden das erst anerkennen, wenn uns das heute genommen wird. So wie wir die Vergangenheit romantisieren, in der wir aber auch nicht zufrieden waren, als sie noch Gegenwart war.

Dieses Grundthema bearbeitet Station Eleven mit vielen Zeitsprüngen zu äußerst verschiedenen Charakteren, deren Perspektiven der Leser einnehmen darf und die über sehr unterschiedliche Wege miteinander verbunden sind. Wenn man einen Kritikpunkt finden möchte, dann ist es wohl der, dass diese Verbindungen zum Ende des Buches hin ein wenig konstruiert wirken. Vielleicht passieren dort ein oder zwei Zufälle zuviel. Aber das ist verschmerzbar, denn als Leser nimmt die damit verbundene Hoffnung dankbar an. Das Ende ist nicht das Ende, es geht immer irgendwie weiter. Das ist ein sehr schöner Gedanke, wie ich finde.

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