in real life

The Return of Paddeln in Polen

Wieviele Flüsse hat dieses Polen eigentlich? Nun, ich möchte der nächsten Jahre nicht vorgreifen, aber genug, dass ich in 4 Jahren Probleme mit den Überschriften bekomme, wenn sich George Lucas bis dahin nicht was einfallen lässt. Der Bühnenterrorist hat sich für dieses Jahr richtig ins Zeug gelegt und uns eine Strecke auf der Drawa zurecht gelegt, die sich gewaschen hat. Mit der dritten Tour dieser Art kann man sich nämlich getrost als Profi bezeichnen und auch die echten Herausforderungen dieser Sportart mit einem müden Lächeln auf den Lippen angehen. Und was haben wir müde gelächelt. Also, vorher.


Die Drawa

Die größte Herausforderung für mich – so dachte ich – bestand eigentlich nur in der Anreise. Paddeln und Campen und das alles kannte ich schon, kein Problem. Aber da ich mit einem Tag Verzögerung allein hinterherreiste, machte ich mir schon so ein paar Gedanken. Eigentlich hätte auch unser Gepäckbootsfahrer vom letzten Jahr mit mir zusammen fahren sollen, aber der ließ sich leider nicht blicken und so war ich wirklich auf mich allein gestellt. Man hat ja sofort auch die abwegigsten Szenarien im Kopf, was da alles schief gehen kann. Ganz weit hergeholt, aber möglich: Ich hätte einen der drei Züge verpassen können!


Tag 1 – Umsteigebahnhof Runowo Pomorskie mit 2h Aufenthalt

Das ist aber zum Glück nicht passiert, statt dessen ist mir aber folgende unterhaltsame Anekdote passiert: Ich musste in Stettin ein Ticket für den polnischen Teil der Fahrt kaufen und dann in den richtigen Zug einsteigen. Den Bahnsteig hatte ich mir von der netten (!) Dame am Schalter sagen lassen und dort stand auch schon eine halbe Stunde vor Abfahrt ein Zug. Ich wollte auf Nummer sicher gehen und fragte bei dem geschäftig wirkenden Schaffner, ob das denn der richtige Zug nach Runowo Pomorskie sei – mein zweiter Umsteigebahnhof. Er schaut sich mein Ticket an, runzelt die Stirn, zeigt dann aber in deutlicher Geste auf den Zug hinter ihm und macht mir mit wiederholtem Nje! unmissverständlich klar, dass egal was komme ich nicht in diesen Zug steigen dürfe.


Tag 1 – Umsteigebahnhof Runowo Pomorskie – Wassergeflutete Unterführung

Okay, gut dass ich gefragt habe, denk ich mir und warte auf dem Bahnsteig, dass mein Zug kommt. Aber Zeit vergeht, es kommt kein Zug und der falsche Zug steht immer noch da. Mittlerweile ist ein Zug auf den Nachbarbahnsteig eingefahren, wo ich mein Glück versuche. Aber auch dort wird mir das Einsteigen untersagt und man schickt mich zurück zu dem ursprünglichen Bahnsteig, wo immer noch nur der falsche Zug steht. Ich treffe meinen Schaffner-Freund wieder, setze meinen verzweifelten Gesichtsausdruck auf und drücke ihm nochmal mein Ticket in die Hand. Er rennt damit zu seinem Kollegen am anderen Ende des Zuges, berät sich ausführlich mit ihm und gestikuliert mir auf Nachfrage wie beiläufig, ich solle doch endlich in den wohl mittlerweile richtigen Zug einsteigen. Was denn auch sonst?


Tag 1 – Papstdenkmal am Drawsko See

So kam es, dass ich wenige Minuten vor Abfahrt in einem Zug Platz nehme, von dem ich immer noch nicht so richtig sicher weiß, dass er der richtige ist. War er dann aber doch und ich bin sicher ans Ziel gekommen. Einige Stationen später stieg eine Reisegruppe bestehend aus polnischen Jugendlichen dazu, die sehr viel Gepäck dabei hatten und damit die Gänge ziemlich blockierten. Als mein Schaffner-Freund wenig später durch die Gänge wütete und die Kids anherrschte, doch ihr Bagasch aus dem Weg zu räumen, da hätte ich schwören können, dass es der gleiche Schaffner war, der uns auf unserer letztjährigen Anreise schon so erstklassig unterhalten hatte.


Tag 1 – Zeltplatzidylle

Damit war die erste Hürde geschafft, jetzt konnte der Urlaub beginnen. In Czaplinek empfing mich bereits ein Begrüßungskommitee, dass sich sofort nach dem Verbleib des Gepäckbootsfahrers erkundigte mich voll überschwenglicher Freude begrüsste und nach einem kleinen verregneten Spaziergang vom Bahnhof zum Zeltplatz erwartete mich ein bereits voll funktionsfähiges Zeltlager, unsere insgesamt 11-köpfige Reisegruppe und Sonnenschein.


Tag 2 – Auf der Drawa

Am nächsten Tag startete die Tour, die uns von Czaplinek die Drawa entlang bis nach Krzyz* führen sollte. Ich habe die einzelnen Etappen auf einer Google-Map mal so grob nachgezeichnet.


Tag 2 – Die Mühle von Gleboczek – Einsturzgefährdet

Unsere erste Etappe führte uns über den Drawsko See und ein kleines Stück über die Drawa mit Umtragestelle an der baufälligen Mühle zu einem Biwakplatz an dem Krosino See. Die Tour verlief sehr entspannt und bei schönstem Sonnenschein. Als wir unsere Zelte aufbauten, kündigte sich jedoch schon ein kleines Unwetter an. Es war in der Gegend übrigens schwierig, zwischen nahendem Gewitter und dem militärischen Manöver auf dem nahegelegenen Truppenübungsplatz zu unterscheiden, aber das war ein kleines Gewitter, das uns eine verregnete Nacht bescherte.


Tag 2 – Vorne: Lager in der Entstehung – Hinten: Nahendes Unwetter

Zu Beginn der zweiten Etappe wollten wir die alte Ordensburg aus Zeiten des Nationalsozialismus – von uns liebevoll Die Zwei Türme genannt – besichtigen, die sich am Ausgang des Krosino Sees befindet. Leider ist das Gebiet militärische Speerzone, alles was wir zu sehen bekamen, war ein altes verlassenes Militärferienlager. Anschließend paddelten wir auf der Drawa entlang zu der kleinen Stadt Zlociniec, wo wir die Boote wieder umtragen mussten, ausgiebig speisten und den Reiseproviant aufstockten. Das mit dem ausgiebig Speisen wurde uns ein paar Stunden später zum Verhängnis, denn der von uns anvisierte Biwakplatz war etwas weiter entfernt, als gedacht. Zudem präsentierte sich die Drawa zunehmend schwieriger und sperriger. Alle paar Meter versperrte ein Baumhindernis den Weg.


Tag 3 – Morgendliche Stille auf dem Krosino See

Um die Sache noch etwas unterhaltsamer zu gestalten, kamen wir auch dieses Jahr wieder in den Genuss der Verlässlichkeit von Wasserwanderkarten. Schlussendlich konnten wir die Nichtexistenz des von uns anvisierten Biwakplatzes nicht lückenlos beweisen, aber bei zunehmender Abenddämmerung entschlossen wir uns, für eine Nacht die nächste brauchbare Heuwiese in der Nähe von Dalewo zu besetzen. Von einem Biwakplatz war dort weit und breit keine Spur.


Tag 3 -Die zwei Türme

Während die Vorhut die letzten Reste Tageslicht noch nutzen konnte, um Zelte zu errichten, ließ die Nachhut auf sich warten und traf erst bei völliger Dunkelheit ein. Angesichts der erwähnten Baumhindernisse ist es mir zwar ein Rätsel, wie sie das ohne Verluste geschafft haben, aber geschafft haben sie es.


Tag 4 – Auf der Drawa

Die dritte Etappe brachte zunächst keine große Veränderung. Die Drawa präsentierte sich gleichermaßen schön wie auch sperrig. Wir machten wieder Halt in einer kleinen Stadt, in Drawsko Pomorskie, wo wir die Proviante aufstockten und dieses Mal nur eine kurze Pause einlegten. Ziel der Etappe war der größte See in der Ecke, der Lubie See. Aber bis wir den erreichten, mussten wir uns durch viel Drawa hindurch kämpfen und als sich schließlich der See vor uns öffnete, waren alle etwas erleichtert.


Tag 5 – Die Kirche von Gudowo

Wir hatten noch etwas Probleme, uns auf einen geeigneten Biwakplatz am See zu einigen, denn der nächste Tag sollte ein Pausentag sein und außer mir wollte keiner auf der Insel campen. Ihr kennt meine Vorliebe für Inseln aus den Jahren davor. Am Ende fiel die Entscheidung aber auf ein Stück Wiese mit Strand in der Nähe des Dorfes Gudowo, wo wir immerhin bequem einkaufen konnten. Am nächsten Tag kam der Besitzer der Wiese vorgefahren, um uns darüber aufzuklären, dass dies kein Biwakplatz wäre. Aber nachdem wir ihm erklärt hatten, wer wir sind und was wir vorhatten, ließ er uns da bleiben, kostenlos, aber unter einer Bedingung: No Rubbish!


Tag 6 – Ich in spritziger Einzelfahrt

Die vierte Etappe war die erste von zweien, die meine Liebste und ich jeweils im Einer bewältigten. Da der oben erwähnte Gepäckbootfahrer vom letzten Jahr durch Abwesenheit glänzte, hatten wir quasi ein Boot zuviel, das abwechselnd immer mal wer anders fahren durfte. Die nächsten beiden Etappen hatte ich das gute Stück und war auch einigermaßen begeistert.


Tag 6 – Ein Kanadier beim Überwinden eines Hinternisses

Die Boote waren dieses Jahr ohnehin sehr gut und schnell und wenn man allein drin sitzt hat man noch mehr Kontrolle über den Kahn, was sich bei der zum Teil starken Strömung den Hindernissen auf der Drawa recht positiv auswirkt. Auf der anderen Seite hat das alleine Fahren aber auch Nachteile: Man muss dann nämlich auch alleine fahren, immer. Da ist niemand, der einem hilft, was besonders bei großen Seen, starkem Gegenwind oder Gegenströmung schnell zu schaffen macht.


Tag 6 – Ich beim Überwinden des gleichen Hindernisses

Etappe vier begann nun zufälligerweise genau mit dem größten See auf der Tour. Aber nachdem wir den hinter uns hatten, zeigte sich die Drawa von ihrer idyllischen Seite. Die Gegend war wunderschön, das Wetter spielte mit und die Hindernisse waren nett zu uns. Am Ende dieser für mich vielleicht schönsten Etappe war der Debno See, auf dem uns völlig überraschend eine Insel mit Biwakplatz erwartete. Hach.


Tag 6 – Fahrt im Windschatten

Die Insel war perfekt. Genug Platz für alle Zelte, eine kleine Badestelle von der man in den Sonnenuntergang schwimmen konnte, eine Feuerstelle an der abends glutenfreie Marshmellows geröstet wurden, ringsum unberührte Natur und weit und breit kein Mensch. Naja, abgesehen von den paar Polen auf der anderen Seite des Ufers mit dem PKW mit dem lauten Autoradio. Aber davon mal abgesehen. Hach.


Tag 6 – Limbo!

Etappe fünf begann ähnlich idyllisch wie die vorherige endete. Auf dem spiegelglatten See konnte ich in der Entfernung einen Raubvogel (ich tippe auf Seeadler) beobachten, wie er auf die Seeoberfläche hinabstürzte und mit silberglänzender Beute (ich tippe auf Fisch) davon zog. Immer wieder begegnete man Haubentaucher (ich find ja Taubenhaucher irgendwie schöner, aber ich darf nich) mit ihrem putzigen Nachwuchs, der immer nur in 2-3 m-Schritten vor einem wegtauchen kann. Und unter einem rauscht das Boot geschmeidig übers Wasser. Das sind so die Momente. Hach.


Tag 6 – Ringelnatter beim Sonnenbaden

Aber mit der Idylle war es einen See weiter auch schon wieder vorbei, dort begann nämlich das militärische Sperrgebiet, das man leider nicht mehr mit dem Kajak durchfahren darf. Es gibt dort einen kleinen Imbiss, von dem aus man einen Transport der Boote auf die andere Seite des Truppenübungsplatzes buchen kann und so hieß es Boote entladen, alles ins Auto und ab geht die Fahrt bis nach Prostynia.


Tag 6 – Die Insel

Laut unserer Karte sollte es in Prostynia einen Laden geben, in dem wir für die nächsten zwei Tage einkaufen wollten. Denn der nächste Tag sollte ein Pausentag werden und wir wussten nicht so genau, ob es dort einen Laden gibt. Wenn ich schreibe „laut unserer Karte“ dann werdet ihr jetzt sicher vor lauter Überraschung aus allen Wolken fallen wenn ich euch erzähle, dass es in Prostynia keinen Laden gibt. Aber so ein kleiner Spaziergang über viele viele Kilometer hat ja noch niemandem geschadet. Apropos: Wusstet ihr, dass man sich auch in Sandalen Blasen laufen kann?


Tag 6 – Abenddämmerung auf der Insel

In der Zwischenzeit hat sich das Wetter geändert: Aus freundlichem Sonnenschein wurde drückende Schwüle und schließlich unfreundlicher kalter Gegenwind. Die Drawa war hier etwas breiter, das Umland flacher und die Strömung weniger stark. Der Gegenwind hatte genug Kraft, um auch ein vollbesetztes Kajak flussaufwärts treiben zu lassen. Da hat das Paddeln nicht mehr so viel Spaß gemacht.


Tag 7 – Die Drawa bei schlechtem Wetter

Irgendwann mussten wir links abbiegen und die Drawa verlassen, um zu dem laut Reiseführer schönen Ferienzentrum am Makowarskie See zu gelangen, das wir für den nächsten Pausentag gewählt hatten. Dafür mussten wir durch einen zunächst recht engen und von Schilf überwucherten, später eher waldig und hübschen Kanal gegen den Strom zu dem See paddeln. Die Aussicht auf sanitäre Anlagen und Duschen und reichhaltiger polnischer Küche hielt die Motivation aufrecht.


Tag 7 – Ausblick auf den Makowarskie See

Die Aussicht auf sanitäre Anlagen, Duschen und Küche wurden jedoch herb enttäuscht: Ein Dixie, ein Strand und ein Laden im Nachbarort mussten uns genügen. Aber inzwischen schien wieder die Sonne, der Platz und der See waren wirklich schön und wir hatten sowohl einen sehr entspannten Abend als auch Pausentag dort. Das Ferienzentrum wirkte etwas runtergekommen und verlassen auf uns. Einige der Bungalows waren vermietet, aber viel los war da nicht. Ein paar verlassene Gebäude haben zu früheren Glanzzeiten wohl einen Kiosk oder möglicherweise gar Duschen und Toiletten beherbergt. Davon war aber nicht mehr viel übrig.


Tag 7 – Abendliches Lagererrichten

Die meisten Urlauber dort waren Angler, die uns zu später Stunde auch schon mal ein paar Fische schenkten. Ich möchte an dieser Stelle auch die Erfolge unserer gruppeneigenen Angler nicht verhehlen. Das war bereits der zweite Abend an dem die Gruppe Selbstgefangenes über dem Feuer grillen konnte.


Tag 7 – Mond über dem Makowarskie See

Und dann war da noch der Mann, der uns sehr freundlich aber bestimmt auf polnisch ansprach. Er hat sehr eindringlich gesprochen und wir sind uns sicher, er hatte eine Botschaft. Wir wissen nur leider bis heute nicht, welche. Irgendwann hat er aufgegeben mit uns zu reden und telefoniert – ich nehme an, um einen Dolmetscher ranzuholen, das Wort deutsch ist im Polnischen ja so ähnlich wie im Russischen, nemjetzkie oder so. Jedenfalls kam er irgendwann später wieder zurück, redete wieder ausschließlich polnisch und überreichte uns vier Gurken, was unsere Ratlosigkeit kein bißchen minderte. Aber hey, danke!


Tag 7 – Sternenklare Nacht

Am mittlerweile neunten Tag des Urlaubs begann die sechste Etappe, also quasi der zweite Teil und das eigentlich Highlight unserer Tour. Wir paddelten den Weg über den See, durch den Kanal und das Schilf zurück auf die Drawa und dort bis nach Drawno. Drawno ist wieder eine kleine Stadt mit Einkaufsgelegenheiten und dem Büro des Nationalparks, in dem wir die nächsten drei Tage verbringen wollten. Also, in dem Nationalpark, nicht in dem Büro. Dort mussten wir nur vorab Eintritt und Übernachtungen bezahlen.


Tag 9 – Die Drawa

Der Drawa-Nationalpark ist ein Naturschutzgebiet, in dem sich die Drawa durch bergiges Waldgebiet schlängelt. Naturschutzgebiet heißt auch, dass Forstwirtschaft nur sehr eingeschränkt betrieben wird und umgestürzte Bäume nicht weggeräumt werden. Auf der Drawa werden Baumhindernisse immerhin auf Kajak-Größe ausgesägt, wobei sich Kajak-Größe exakt auf die Größe eines Kajaks bezieht, unabhängig davon, ob jemand drin sitzt oder nicht.


Tag 9 – Tückisches Hindernis hinter uns

Weiterhin ist das Teilstück der Drawa durch den Park berühmt und berüchtigt für Hindernisse und Strömung und eine Durchfahrt ohne Kentern gilt als unüblich. Ziel der sechsten Etappe war ein Biwakplatz innerhalb des Parks nahe des Örtchens Barnimie und bis dahin sind zwei unserer Boote bereits gekentert, eines davon gleich zwei Mal. Es gab nur drei von sieben Booten, die vollkommen trocken durchgekommen sind, alle anderen haben sich mindestens eine Fuhre Wasser ins Boot geholt.


Tag 9 – Tückisches Hindernis vor uns

Es ist schwer zu beschreiben, was eigentlich die große Schwierigkeit dabei war, ist so ein bißchen wie die Matrix: Man muss es erleben, um es zu verstehen. Ich probier es trotzdem: Es fängt damit an, dass so ein Boot nicht einfach um eine Kurve fährt wie ein Auto, es driftet viel mehr durch die Kurve. Je stärker die Strömung, desto stärker der Drift, man ist permanent mit Korrekturen beschäftigt. Bei dem Umfahren eines Hindernisses gilt das Gleiche, man fährt nicht einfach vorbei, sondern driftet irgendwie drumherum und kämpft ständig gegen die Strömung.


Tag 9 – Mehr Hindernisse

Ein Hindernis kann dabei ein Baumstamm sein, der im Wasser liegt und auf den das Boot aufsetzt oder auch ein Baumstamm oder Äste, die so tief hängen, dass man im Limbo drunter durch muss oder auch beides gleichzeitig. Kritisch wurde es wenn mehrere Hindernisse direkt hintereinander folgten und eine Art Schikane bildeten. Am ersten kommt man noch vorbei aber die Strömung schiebt das Boot dann seitwärts gegen das zweite Hinderniss, von dem man sich nun irgendwie abstoßen muss, wobei man das querstehende Boot sehr leicht in die Strömung neigen kann. Ab da sind es nur Sekundenbruchteile bis das Boot mit Wasser voll läuft.


Tag 10 – Bilderrätsel

Und dann gab es noch die Stromschnellen. Für Abwechslung und Spannung war jedenfalls gesorgt. Wahrscheinlich hätte das auch alles eine Mordsgaudie werden können, hätte man nicht ständig im Hinterkopf gehabt, dass man gerade den gesamten Hausrat im Boot spazieren fährt. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ist das Zeug nämlich nicht wirklich wasserdicht verpackt und ein nasser Schlafsack ist so ziemlich das letzte was man haben möchte.


Tag 11 – Auf der Drawa

Selbst Wertgegenstände, die man eigentlich gesondert in speziellen wasserdichten Behältnissen aufbewahrt sind nicht sicher. Ein sogenannter wasserdichter Sack aus einer der beteiligten Havarien hat seine Wasserdichte damit unter Beweis gestellt, dass er das Wasser hinterher nicht mehr rausgelassen hat. Der Besitzer war anschließend um eine nasse Digitalkamera und ein nasses Handy reicher.


Lagerfeuer

Auf der Etappe sieben hat es wieder einen unserer Einzelpaddler erwischt, diesmal eine komplette Tauchfahrt an einer sehr heiklen Stelle. Die Titanic wäre vor Neid erblasst und trocken war für den Guten in den nächsten Tagen ein Fremdwort. Die Etappe sieben endete daraufhin schon an dem nur etwa 8km entfernten Biwakplatz nahe Bogdanka, wo wir am Lagerfeuer unter leichtem Nieselregen versucht haben, die Klamotten der Opfer zu trocknen.


Ein Libellenfreund auf meiner Mütze

Immerhin konnten ein paar von uns den Polen Nachhilfe in Sachen Feuer machen geben, worauf die Polen einigen von uns Nachhilfe in Sachen polnischer Wodka geben konnten. Völkerverständigung, ihr versteht schon.


Tag 11 – Papstdenkmal

Da wir Etappe sieben verkürzt hatten, generell aber die Tourplanung ganz cool fanden, wollten wir in Etappe acht trotzdem das geplanten Ziel erreichen, somit war sie mit 27km die längste der ganzen Tour. Dafür haben wir extra einen Weckdienst eingerichtet, damit wir ausnahmsweise mal rechtzeitig lospaddeln konnten. Die Drawa war wieder etwas zahmer und die Hindernisse deutlich seltener und wenn es nicht gerade geregnet hat, war die Tour trotz ihrer Länge sehr entspannt und hat Spaß gemacht. Wir hatten sogar das Vergnügen, einen kleinen Fischotter zu treffen, der unserem Boot am Ufer hinterhergerannt und -geschwommen ist. Niedliche Viecher.


Tag 11 – Wasserkraftwerk Kamienna

Einziges wirkliches Hindernis dieser Etappe war das Wasserkraftwerk vom Kamienna, bei dem wir die Boote über eine Strecke von 150m umtragen mussten. Man kann so ein Boot aber auch problemlos über Land ziehen bzw. downhill auch schieben, so war das auch gar nicht so schlimm.


Tag 11 – Wasserkraftwerk Kamienna – Links: Fischtreppe

Auf dieser Etappe hat es mich dann aber direkt selbst noch erwischt. Ich bin zwar nicht nass geworden, aber ein fast schon harmloses Hindernis hats mir dennoch gegeben. Ein etwas kräftigerer Ast ragte in einer Kurve schräg aus dem Wasser heraus. Die Strömung war an der Stelle so stark, dass unser Boot schräg gegen den Ast gedrückt wurde. Da ich im Boot hinten sitze konnte ich dem Ast nicht mehr ausweichen und habe das Teil direkt in den Brustkorb gerammt bekommen, ich wurde quasi von dem stumpfen Ast aufgespießt. Bei den vielen tiefhängenden Ästen und Zweigen vorher hätte deutlich Schlimmeres passieren können, aber ich hatte in dem Moment echt Panik. Leider ist von der Sache nur ein sehr harmloser blauer Fleck übrig geblieben, so dass ich meine Geschichte später kaum mit der nötigen Dramatik untermauern konnte.

Der Ast sah ein wenig so aus, wie dieser hier:

Tag 11 – Gefährlicher Ast

Ziel der achten Etappe war ein Biwakplatz der sich Forsthaus Kotlina nannte. Ein sehr schöner Platz mit großer weiter Wiese, einer schönen Badestelle am Fluss und zwei Holzhütten von denen die eine eine Feuerstelle mit Grillrost bot.


Tag 11 – Biwakplatz Forsthaus Kotlina im Nebel

Einer unserer Angler hat gleich am ersten Abend einen kapitalen Döbel aus dem Fluss gezogen, so dass eigentlich alles perfekt war. Leider hat sich das Feuermachen etwas schwieriger gestaltet mit all dem nassen Holz. Den Fisch gab es erst am nächsten Tag, der wieder ein Pausentag war.


Tag 12 – Selbstgefangener Fisch über dem Feuer

Den Pausentag haben einige von uns dazu genutzt, zum nahegelegenen Pommernwall-Bunkerrest zu wandern. Viel zu sehen gab es nicht, Trümmer halt, man konnte lediglich erkennen, dass selbst das nachträgliche Sprengen der Anlage nicht so einfach war, robuste Bauweise und so.


Tag 12 – Reste vom Pommernwall

Ich bin an diesem Biwakplatz auch zwei mal in die Drawa gehüpft, um etwas zu planschen und konnte dabei die Kraft der Strömung am eigenen Leib erfahren. Das was da so harmlos vor sich hin strömt, reicht als Gegenstromanlage zum Schwimmen völlig aus. Will man tatsächlich entgegen der Strömung vorankommen, benötigt man sehr sehr viel Kraft. Das Video hier demonstriert das vielleicht ein wenig:

Und dann stand die neunte und letzte Etappe vor uns. Das Wetter war mittlerweile wieder richtig sommerlich, die Drawa sehr schön und idyllisch und ungefährlich. Es war eine echt schöne Tour. Einige von uns vertrieben sich die Zeit auf dem Wasser mit ausgiebigen Wasserschlachten, andere ließen sich einfach nur treiben. Kurz vor Ende der Etappe verließen wir die Drawa, um über einen kleinen Kanal zu dem See nahe Krzyz zu gelangen, an dem wir unser Tour beenden wollten. Dieser kleine Kanal hat uns nochmal alles entgegen geworfen, was man sich so vorstellen konnte.


Tag 13 – Biwakplatz Forsthaus Kotlina am Morgen

Er war eng, mit Schilf überwuchert, hatte viele Baumhindernisse, viel Ungeziefer, eine starke Gegenströmung und ein totes Reh im Wasser. Das waren die ekligsten 4 km der ganzen Tour. Als sich dann endlich der letzte See vor uns präsentierte, war ich gleichermaßen erleichtert wie erschöpft. Andere erholen sich in ihrem Urlaub…


Tag 13 – Ende des letzten Kanalstücks

Wir haben noch einen ereignislosen und entspannten Pausentag vor der Abfahrt eingelegt und damit war dieses kleine Abenteuer wieder vorbei. Es ist schwer ein allgemeines Fazit für diese Tour zu ziehen. Von der Planung her mit den ganzen Pausentagen war es dieses Jahr deutlich entspannter als letztes Jahr, die Drawa ist einfach wunderschön und die polnische Gastfreundschaft hat uns auch dieses Jahr wieder begeistert. Auf der anderen Seite war diese Tour auch verdammt anstrengend und schwierig und streckenweise schwamm eben auch die Angst mit.

Übrigens auch ein Grund, warum es dieses Mal vergleichsweise wenig Fotos gibt: Man hatte einfach kaum Gelegenheit während der Fahrt zur Kamera zu greifen, weil ein paar Meter weiter wieder ein Hindernis auf einen wartete. Viele schöne Dinge konnten so gar nicht festgehalten und manchmal sogar kaum betrachtet werden.

Aber jetzt wo ich mich gerade so wieder an die Errungenschaften der Zivilisation gewöhnt habe (z.B. Sitzmöbel), freue ich mich schon auf das nächste Jahr. Eine Fortsetzung ist quasi garantiert! Danke an alle, die dabei waren und vor allem an den Bühnenterroristen, der den ganzen Spaß wieder hervorragend organisiert hat.

* Das Alphabet der polnischen Sprache umfasst ein paar mehr Buchstaben, als meine Tastatur bereit ist, zur Verfügung zu stellen. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich die Namen hier nur in vereinfachter Form darstelle.

  1. Schön 🙂
    Was ich aber noch anmerken muss ist dass im Gebiet des Nationalparks nicht eingeschränkte, sondern gar keine Forstwirtschaft betrieben wird und auch nichts frei gesägt wird….

  2. Schöner Bericht. Ihr hattet scheibar gar nicht so schlechtes Wetter. Ich bin neidisch!

  3. @schnork: Im Reiseführer steht etwas von schonender Bewirtschaftung in direkter Nähe des Parks, du hast also Recht. Was das Freisägen betrifft: Ich find leider gerade die Stelle nicht mehr, aber ich meine etwas davon gelesen zu haben, dass entlang der Drawa die Hindernisse auf Kajakmaß entschärft werden. Ob das auch innerhalb des Parks gilt oder nur außerhalb vermag ich gerade nicht zu sagen, allerdings war es ja schon verwunderlich, dass eigentlich jedes Hindernis (abgesehen von zwei, für euch drei) immer genau eine Stelle hatte, an der so ein Boot durchpasste. Im Reiseführer steht dazu noch etwas von pflegerischen Maßnahmen, wie von dem „Erhalt der Wanderwege und Biwakplätze“ (Seite 15) und ein Wasserwanderweg ist ja auch irgendwie ein Wanderweg, oder? 😉

    @C: Das Wetter war auch bei uns durchwachsen aber wir hatten meistens Glück. Wenn es regnete, dann meistens nachts oder abends wenn die Zelte schon standen und tagsüber war es bis auf zwei Ausnahmen eigentlich immer recht freundlich. Es hätte schöner sein können irgendwie, andererseits hätte es auch viel viel schlimmer sein können, also will ich mich nicht beschweren.

  4. Danke für diese Reisebeschreibung. Man merkt, Ihr seid schon „Alte Hasen“ in dieser Gegend. Ich freue freue mich schon auf Eure nächste Reise

  5. Da kann man/frau echt neidisch werden – auch wenn es anstrengend ist – näher kommt man kaum an die Natur ran! Kurz gesagt: HACH – animiert voll zum nachmachen!

  6. Hallo, toller Bericht!
    Wie voll war es denn auf der Drawa, und wann genau wart ihr unterwegs?
    Liebe Grüße

    • Hi Lorenz,

      wir waren Mitte August 2010 da. Soweit ich mich erinnere, waren da schon andere Menschen auf dem Fluss unterwegs – also auf dem populären Teil innerhalb des Nationalparks – auf den Campingplätzen waren auch immer noch andere Gruppen.
      Vor und nach dem Park waren wir eigentlich meistens einsam und allein.

      Gruß
      Thomas

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