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Virginia Jetzt Nicht Mehr

Auch wenn es heißt Über die Toten nur Gutes, fällt es mir schwer, besonders viel Trauer darüber zu empfinden, dass es Virginia Jetzt! jetzt nicht mehr gibt. Auch die Tatsache, dass mich äußere Umstände zu dem allerallerallerletzten Konzert der Band geführt haben, stimmt mich mit deren künstlerischer Leistung nicht unbedingt versöhnlicher.

Immerhin das Setting am vergangenen Freitag Abend war vielversprechend: Da muss man sich erst auflösen, um in so einer Location zu spielen! hatte der Frontmann passend festgestellt. Leider ist der Admiralspalast nur optisch ein Highlight. Die Sitzmöbel haben noch viel Bequemlichkeitspotential. Ja, ihr lest richtig: Sitzmöbel. Wir hatten Plätze auf dem Rang, dort wo Familie und gute Freunde der Band platziert waren und tatsächlich wurde das Konzert weitesgehend sitzend genossen. Selbst im unbestuhlten Innenraum war kaum Bewegungsdrang zu erkennen und ich weiß nicht, ob das jetzt gegen die Band oder gegen die Fans spricht…

Es gab übrigens mal eine Zeit, da hielt ich Virginia Jetzt! für cool. Das fing an um die Jahrtausendwende, als sie auf dem Fritz-Sampler Berlin Macht Schule die nette kleine Pophymne Pophymnen veröffentlicht hatten. Später gab es noch die Single Von Guten Eltern, die mir positiv in Erinnerung geblieben ist und auch auf dem Konzert gespielt wurde. Es gab auch noch zwei oder drei andere Songs, die ich mir an dem Abend gerne angehört habe. Also schlecht waren Virginia Jetzt! nicht, nur eben nicht mein Fall.

Einer der Hauptgründe dafür waren definitiv die beiden Nerv-Singles Ein Ganzer Sommer und Wahre Liebe. So sehr ich einer sympathischen und ehrlichen Band aus der Gegend den Erfolg gönne, warum mussten sie es ausgerechnet mit diesen schlimmen Schlager-Schnulzen in die Heavy Rotation aller Stationen schaffen? Seit Freitag Abend weiß ich aber auch, dass mir auch die restliche Discografie nicht gefallen hätte.

Aber ich nehme an, für die Fans war der Abend ein echtes Fest, immerhin waren alle Zutaten vorhanden: Intime Gänsehautmomente mit Akkustikgitarre, schmissige Mitmachnummern und namhafte Gäste aus der deutschen Pop-Szene. Auch wenn letztere vor lauter Trauer mitunter keinen Ton getroffen haben, nun, die Geste zählt.

Für mich ist die Gefahr jetzt sehr gering, dass sich ein derartiges Live-Erlebnis wiederholt, aber Fans der Musik dürfen an dieser Stelle traurig sein und hoffen, dass sich die Mitglieder in Zukunft weiterhin mit Musik beschäftigen. In welcher Form auch immer. Ich könnte mir aber vorstellen – und das meine ich ganz ironiefrei, dass der Frontmann demnächst in den lukrativen Markt der Kinderlieder einsteigt. Die Stimme dafür hätte er.