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Paddeln in Polen 2011 – Die Wda

Schon wieder haben wir eine Paddeltour hinter uns gebracht, so langsam wird daraus eine ernsthafte Tradition. Dieses Jahr führte uns unser Reiseleiter an die wunderschöne Wda, quasi der Rundumsorglos-Fluss: Nicht so angsteinflößend wie die Drawa im letzten Jahr, ohne dabei auf eine ansehnliche und spannende Strömung zu verzichten. Nicht so eintönig, wie stellenweise die Netta oder Bierbza im vorletzten Jahr und nicht so fest in touristischer Hand, wie die Masuren vor drei Jahren. Alles sprach für einen reibungslosen und entspannten Urlaub. Aber bekanntlich überlebt kein Plan den ersten Feindkontakt.


Die Wda

Als erster Gegenspieler stand uns die Anreise gegenüber: Vier Mal Umsteigen! An sich unproblematisch, wir wissen ja wie das geht. Neu für uns war aber, dass das Wort Generalstreik auf polnisch genauso klingt, wie auf deutsch.


Generalstreik (Symbolfoto)

Offenbar betraf der Streik aber nicht alle Strecken oder Bahnunternehmen, jedenfalls sind wir mit gerade mal vier Stunden Verspätung am Zielbahnhof angekommen und hatten zwischendurch ausreichend Gelegenheit, Polens abgelegenere Bahnhöfe auf uns wirken zu lassen. Zu jeder anderen Jahreszeit hätte das echt die Stimmung versauen können, aber im Sommer hat das seine ganze eigene Faszination. Irgendwann mach ich mal eine Fotoserie daraus. Vielleicht, wenn ich Fotografieren gelernt habe.


Polnische Bahnhofsidylle, mit Hase

Bahn fahren in Polen löst bei mir immer so eine Art Eisenbahn-Romantik aus. Die Züge sind alt, laut und stinken, haben aber einen gewissen Charme, der der deutschen Hightech-Flotte eindeutig abgeht. Es fängt ja schon damit an, dass man die Fenster aufmachen kann (und gelegentlich auch muss). Gerade wenn sich gegen Ende der Anreise die Natur vom Abendlicht der untergehenden Sonne beleuchtet in Auenland-Idylle präsentiert und man sich den Fahrtwind um die Nase wehen lassen kann, wähnt man sich in einer anderen Welt.


Das Auenland

Nach unserer Ankunft in Lipusz hatten wir noch genug Restlicht für einen kleinen Einkauf im lokalen Konsum und den Aufbau der Zelte auf einem kleinen Biwakplatz, der bereits direkt an der Wda lag. Von hier aus wollten wir uns und die Boote am nächsten Tag noch etwa 10 km flussaufwärts bringen lassen, um unsere Tour am Wieckie See zu beginnen, aus dem die Wda entspringt.


Die Wda vor Vollmond

Unser Kajak-Verleiher war allerdings anderer Meinung. Erstens hatte der Fahrer der uns am Folgetag die ersten drei Boote brachte, gar keine Zeit uns irgendwo hinzufahren und zweitens erklärte man uns via Telefon, dass die Wda flussaufwärts zur Zeit kaum befahrbar wäre. Letzteres hielten wir für eine Notlüge. Andererseits hätte uns auf den ersten 10 Km zweimaliges Umtragen der Boote erwartet und darauf zu verzichten erschien uns in dem Moment gar nicht so schlecht. Also schwangen wir uns in die Boote und genossen die erste sehr kurze aber gleichermaßen entspannte Etappe. Die komplette Tour gibt es zum Mitverfolgen auch auf Google Maps.


Die erste Etappe

Und was war das für eine schöne entspannte Etappe. Es fühlte sich richtig gut an, wieder im Boot zu sitzen. Der Fluss schlängelte sich friedlich durch Wiesen und Wälder. Ein paar Störche und Schwäne leisteten uns Gesellschaft. Und keine 10 km später war das Ziel auch schon erreicht, so dass wir einen kompletten Nachmittag auf dem Biwakplatz mit Strand und Aussichtsturm verbringen konnten. Das i-Tüpfelchen des Tages waren schließlich die Kartoffeln aus dem Lagerfeuer.


Störche und Paddel

Auf der zweiten Etappe haben wir bereits recht viele Tagespaddler unterwegs getroffen. Wenn der Reiseführer also schreibt:

[..] dafür ist es streckenweise richtig einsam.

Der Oberlauf der Wda ist touristisch wenig erschlossen.

dann darf das Büchlein wohl mittlerweile als dramatisch veraltet gelten.


Der Mond über dem Schodno See

Eine leider unschöne Eigenart der Polen* ist es, auch in ihren Naturschutzgebieten wenig Mitgefühl für die Umwelt zu zeigen. Bevor wir den Biwakplatz am Vorabend in Beschlag nehmen konnten, mussten wir dort erstmal allerhand Müll einsammeln, um Platz für die Zelte zu schaffen. Aus Gründen, die ich hier mal unterschlage, sind einige von uns zwei Stunden nach dem morgendlichen Aufbruch zu Fuß zum Biwakplatz zurückgekehrt und fanden den Platz genauso vermüllt wie am Vortag vor. Dafür hat den Tagespaddlern offenbar eine einzige Mittagspause gereicht…


Jungschwäne im Gebüsch

Den dritten Biwakplatz haben wir etwas später als geplant, erst kurz vor Sonnenuntergang erreicht. Der Platz befand sich auf der größten Insel im Wdzydze See und war eigentlich kein richtiger Platz sondern eine riesige Wiese, bewachsen mit meterhohem Gras und Gestrüpp.


Abendlicht

Um Platz für die Zelte zu schaffen, mussten wir erstmal etwas Fläche urbar machen, also die Vegetation plätten. Als beste Variante dafür erschien uns das Bootewerfen, was auch funktioniert hat. Allerdings hat jeder umgeknickte Grashalm einen Schwarm Mücken aufgescheucht und obwohl in jedem zweiten Grashalm ein Spinnennetz mit tellergroßer Kreuzspinne hing, waren die Mücken nicht zu stoppen.


Demnächst olympisch: Boote werfen

Tag 4 war offiziell ein Pausentag. Inoffiziell war er das natürlich keineswegs, da uns die Reiseleitung Kultur ins Programm geschrieben hat. Ein Besuch im Kaschubischem Freilicht-Museum sollte es werden und da wir uns auf einer Insel befanden, mussten wir die Boote bemannen und etwa zwei Kilometer zurückpaddeln.


Aussicht: Sehen wie Spielzeuge aus, die Boote

Als Anlegestelle diente uns ein offizieller PTTK-Zeltplatz, auf dem ein riesiger Aussichtsturm für uns bereit stand. Da ich keiner Aussicht widerstehen kann und unser Reiseführer unbedingt den Geocache finden wollte, der im Turm versteckt war, stand es natürlich außer Frage, dass wir den Aufstieg wagten.


See

Den Geocache haben wir nicht gefunden, aber die Aussicht war toll. Das Museum war noch einen kleinen Spaziergang entfernt und versucht auf großer Fläche das Leben der Kaschuben im 18. Jahrhundert zu dokumentieren.


Ein alter Mühlenstein

Dafür wurden zum Teil in entfernten Teilen des Landes alte Gebäude ab- und im Museum wieder aufgebaut. Der Aufwand hat sich gelohnt.


Vier Hüte

Für meinen Geschmack sind einige der Gebäude etwas zu weitläufig auf dem Gelände verteilt, aber insgesamt ermöglichen sie einen spannenden und authentischen Einblick in das Leben vor 200 Jahren.


Vier Hüte

Besonders spannend fand ich den Kontrast zwischen arm und reich. Im einen Augenblick steht man in einer kleinen Hütte, in der selbst das Bett winzig ist.


Stillleben: Ein kleiner Tisch

Ein paar Viele Schritte später wandelt man über das Anwesen eines Großbauern, der im Wohnzimmer großzügig Platz für das Klavier geschaffen hat.


Großbauernwohnzimmer mit Klavier

Ansonsten war auch alles dabei, was damals irgendwie relevant war, vom Sägewerk bis zur Schule, von der Dampfmaschine bis zur Kirche. Ich habe die Bilder in einem eigenen Album zusammen gefasst, das könnt ihr euch hier anschauen.


Wenn der Topf aber nun ein Loch hat?

Der Abend des Pausentags endete mit der Gruppenzusammenführung. Teile der Reisegruppe hatten terminliche Verpflichtungen, so dass sie die ersten drei Tage auslassen mussten. Am Abend des vierten Tages stießen sie zu uns. Ein Teil der Reisegruppe hatte neben den terminlichen Verpflichtungen an den ersten drei Tagen obendrein noch einen sehr festen und tiefen Schlaf am vierten Tag, weswegen er erst am Morgen des fünften Tages zu uns stoßen konnte. Plan und Feindkontakt.


Der Mond über dem Wdzydze See

Die dritte Etappe am fünften Tag begann dadurch etwas verzögert, was sich später noch rächen sollte. Zunächst einmal rächte es sich für unseren Nachzügler, dass er versucht hat, in entgegengesetzter Richtung ein Wehr hinaufzufahren. So eine kleine Gegenstromanlage mag handhabbar erscheinen, aber so ein Plasteboot ist im entscheidenden Moment eben auch erstaunlich instabil. Glück im Unglück: Der Schlafsack ist trocken geblieben und der Blackberry hat nach mehrtägiger Trocknung auch wieder funktioniert.


Die Wda, 3. Etappe

Pech für den Flachwassertaucher: Es lagen noch einige Kilometer vor uns nach seiner Havarie und dank des verspäteten Starts der Etappe, verlängerten sich zunehmend die Schatten in dem ohnehin recht waldreichen und schattigen Gebiet, das die Wda auf der Strecke durchfloss. Hätte ich nicht zuviel Mitleid mit unseren gekenterten Gepäckbootpaddler gehabt, hätte ich den äußerst idyllischen Streckenabschnitt wirklich sehr genossen.


Die Wda

Obendrein stand kurz vor Ende der Etappe erneut Kultur auf dem Programm: Der archäologische Park Kammienne Kregi wollte besichtigt werden. Ich kann gar nicht qualifiziert wiedergeben, was es dort zu sehen gibt. Aber lasst es mich so ausdrücken: Man sieht dort Steine. Die Steine bzw. die Formationen in denen sie gruppiert sind, stellen wohl einen Friedhof der Goten aus dem 1. und 2. Jahrhundert dar. Neben Steinkreisen gab es auch klassische Hügelgräber oder Formationen mit ganz anderer und mir völlig unbekannter kultischer Bedeutung.


Hügelgräber

Höhepunkt des kleinen Parks, den wir in einer knappen halben Stunde durchwandert hatten, war die Ellipse. Offenbar ein Ort voller mystischer Energie, war da für uns nichts zu erkennen, abgesehen mal von ein paar Holzbänken mitten im Wald. Nun, insgesamt war es aber trotzdem ganz nett dort und die halbe Stunde tat ja auch niemandem weh. Vielleicht mal abgesehen, von unserem übermüdeten und durchnässten Freischwimmer.


Alte Steine

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir einen See, der ebenfalls Wieckie See heißt, aber ein ganz anderer ist als der in dem die Wda entspringt. Ich war auch verwirrt. Der See liegt nicht direkt am Flusslauf der Wda, wir mussten ein kleines Stück einen Zulauf zur Wda hochpaddeln und ein kleines Wehr umtragen, bevor wir den See erreichten, wo sich ein recht netter Biwakplatz befand.


Kurz vor Einbruch der Dunkelheit

Unser Reiseführer, der alljährlich diese Touren plant und organisiert und dem dafür all unser Dank gebührt, arbeitet auch immer wieder unser Feedback in seine Planungen mit ein. So sind wir alle einer Meinung, wenn es darum geht, dass das Paddeln auf einem Fluss mehr Spaß macht, als auf einem großen und windigen See. Aber wir finden es wiederum viel schöner, an einem See zu kampieren, gerne mit Strand und malerischem Sonnenuntergang über dem See. Da die Wda nicht so viele Seen durchfließt beinhaltete unsere Tour gleich drei mal den Plan, dass wir Zuflüsse der Wda bis zum jeweils nächsten See hochpaddeln. Aber: Plan und Feindkontakt.


Die Wda, vierte Etappe

Was am Tag 5 noch wunderbar geklappt hatte, war schon auf der vierten Etappe am sechsten Tag hinfällig. Die Abbiegung zum Trzechowskie See hat keiner von uns gesehen, wir landeten irgendwann an einer sumpfigen Wiese direkt an einer Straße, die uns zwar eher unterwältigt hat, dafür aber am nächsten Morgen teuer abkassiert wurde. Eigentlich war geplant, am Trzechowskie See wieder einen Pausentag zu verbringen, aber die olle Wiese hat uns überzeugt, die nächste und mit 35 km längste Etappe der ganzen Tour vorzuziehen.

Ich war an dem Platz aber kurz mal in der Wda planschen und das sah so aus:

Ich habe das während der gesamten Tour insgesamt drei Mal gemacht und die Strömung war überall ähnlich stark. Und ganz nebenbei: Das Wasser war auch alle drei Mal genauso kalt. Auch einer der Gründe, warum wir Seen zum Campen bevorzugen.


Gewitter liegt in der Luft

Tag 7 gestaltete sich meteorologisch herausfordernder. Den Plan, früh aufzubrechen um vor Einbruch der Dunkelheit am Slone See anzukommen, hat bereits das morgendliche Gewitter vereitelt, das wir beim Frühstück genießen durften. Unterwegs hatten wir das Vergnügen zwei weitere Mal, diesmal genossen wir jedoch im Boot sitzend.


Nach dem zweiten Gewitter

Und das hat irre Spaß gemacht. Eine der besten Anschaffungen vor dem diesjährigen Trip war eine Plane. Eine profane 3x2m-Plane. Ihr glaubt ja gar nicht, wie praktisch so ein Ding ist. Auf einer sumpfigen Wiese kann man das Vorzelt damit auslegen, auf einem Platz ohne Unterstand kann man so ein Ding mit Paddel wie ein Tarp aufspannen und im Boot kann man sich die Plane einfach drüber werfen, wenn ein Platzregen droht.


Nach dem zweiten Gewitter

Richtig lustig wird das übrigens, wenn man es nicht schafft, sich rechtzeitig am Ufer festzuhalten, während man die Plane drüber wirft. Beim zweiten Regenguss sind wir etwas planlos in der Strömung getrieben, bevor sich das Boot irgendwo in der Entengrütze festgesetzt hat. Das war im Boot schon spaßig, muss aber von außen noch lustiger ausgesehen haben. Schade, dass da niemand war, der hätte zusehen können.


Nach dem zweiten Gewitter

Die Einfahrt zum Slone See haben wir übrigens nicht gefunden. Ein Teil unserer Reisegemeinschaft hat einen kleinen Abzweig gefunden, der aber so zugewuchert war, dass er sich nicht bepaddeln ließ. Ich vermute aber, dass wir zu dem Zeitpunkt schon etwas weiter waren und das bereits der Abzweig zu dem Przerybionek See war. Wie auch immer, der Plan war wieder mal gescheitert und wir mussten improvisieren.


Aussicht von unter der Plane während des dritten Gewitters

Die nächste Campinggelegenheit war ein Biwakplatz an einer Brücke. Laut den Karten, die jeder von uns im Boot hatte, war das der Punkt, an dem jedem klar sein musste, dass er zu weit gefahren ist und den Abzweig zum anvisierten See verpasst hat. Jeder andere hätte an der Stelle erstmal auf den Rest der Gruppe gewartet, nicht so unsere Navigationstalente in der Vorhut. Da so eine Tourplanung auch Einkaufsmöglichkeiten berücksichtigen muss, blieb uns gar nichts anderes übrig, als den Biwakplatz zu nutzen, am nächsten Morgen einzukaufen und wieder weiterzufahren, um den Rest der Gruppe irgendwo aufzugabeln.


Nach dem dritten Gewitter

Aber lasst es mich diplomatisch ausdrücken: Ich fand den Abend in kleinerer Gruppenstärke zur Abwechselung sehr angenehm. Die Gewitter, die uns tagsüber so hervorragend unterhalten haben, brachten auch einen kleinen Wetterumschwung mit. Es war weiterhin klar und schön, aber auch verdammt windig, was uns zwar beim abendlichen Lagerfeuer zu Gute kam, uns am nächsten Tag auf dem Fluss aber etwas Mühe bereitete.


Die Wda, windig

Wir haben den Rest der Gruppe auf dem Campingplatz in Bledno wiedergetroffen, wo wir wieder unser Lager aufschlugen. Der Platz war leider nicht sehr berauschend und die nächste Einkaufsmöglichkeit lag einige Kilometer Fußmarsch entfernt, also wurde der längst überfällige Pausentag ein weiteres Mal verschoben.


Die Wda, sechste Etappe

Die mittlerweile 7. Etappe führte uns durch das offenbar beliebteste Teilstück der Wda. Noch während wir in Bledno frühstückten, wurden dort Millionen Boote und Paddler abgesetzt.


Tagespaddler

Es war auf der Etappe nahezu unmöglich, einen Paddelschlag zu machen, ohne einen dieser Tagespaddler zu treffen. Überall waren die im Weg. Aber sie hatten ja Recht, es war wirklich ein schönes Stück Wda.


Berühmtes Hindernis: Die alte Eiche

Ziel der Etappe war das Örtchen Tlen, wo wir in einem sogenannten Ferienzentrum einkehrten. Die Anlage erinnerte mich an die Einrichtungen, wie wir sie schon in den Vorjahren angetroffen haben: Viele leerstehende Ferienhütten, ein paar Angler, ein netter Strand und ein schöner See vor der Tür. Für unseren Pausentag war das perfekt, es gab sogar Duschen!


Hund im Boot

Ein paar Pausentagsimpressionen:


Strandidylle


Lagerfeueridylle


Guten Morgen, Hund!


Stolperfalle

Am 11. Tag ging es bereits auf die vorletzte Etappe. Die offiziellen oder besser gesagt beliebten Paddeltouren endeten eigentlich in Tlen, für die letzten beiden Etappen hatten wir den Fluss wirklich für uns. Aber das hatte auch seinen Grund: War der Stausee Zur an dem das Ferienlager lag noch recht malerisch und idyllisch, wurde es dahinter bald anstrengend.


Stausee Zur

Ganze zwei Wasserkraftwerke befanden sich auf unserem Weg. Beiden geht jeweils ein ausgedehnter aber schöner Stausee vorraus. Vor beiden Kraftwerken gibt es einen Kanal, an dessen Eingang eine Vielzahl bunter Schilder steht, die in polnischer Sprache eindringlich Information vermitteln wollen.


Kanal zum 1. Kraftwerk

Am Ende des Kanals müssen die Boote aus dem Wasser genommen werden und ca. hundert Meter umgetragen werden. Dadurch, dass die Kraftwerke einen nicht unerheblichen Höhenunterschied ausnutzen, konnten wir in beiden Fällen die Boote über das Gefälle runterrutschen lassen. Aber anstrengend war das trotzdem.


Kraftwerk Nummer 1

Neben jedem der beiden Kraftwerke verläuft noch ein kleiner Beipass, der ebenfalls durch ein Wehr von der Wda getrennt ist. Wir haben das nicht weiter untersucht, aber ich wette, an der Stelle kann man so ein Kajak eleganter umtragen, an statt sich da 100 Meter lang über das eigentlich abgesperrte Kraftwerksgelände zu schleichen. Allerdings hat sich auch keiner der Arbeiter in den Kraftwerken beschwert.


Boot treibt ab

Mit den Kraftwerken endete auch das Naturschutzgebiet, was man dem Fluss auch deutlich ansah. Wir waren immer noch im Wald unterwegs, aber der war nicht mehr so … hübsch. An einer Eisenbahnbrücke mitten im Nichts sollte sich laut unserer Karten eine Campingmöglichkeit befinden. Wir haben dort allerdings nur viel Wald und ein Papstdenkmal gefunden. Der alte Papst hat auch diesen Fluss irgendwann mal bepaddelt.


Nicht mehr so … hübsch

Da unsere Karten aber auch keine absehbaren Alternativen anbot, haben wir unser Zeug das Ufer hochgeschleppt und unser Lager an einem kleinen Waldweg errichtet.


Die gelbe Brücke

Schön war das nicht, aber es ging – was wohl die Karten mit Campingmöglichkeit auch meinten. Um einen der aufgesparten Pausentage zu nutzen, eignete sich der Platz aber wieder nicht.


Paddelpapst

Aber allein durch die riesige Eisenbahnbrücke nebenan war der Platz interessant genug, um mit der Kamera in der Hand mal ein paar Meter zu spazieren bzw. zu klettern.


Eisenbahnbrücke von unten

Das zweite Kraftwerk, das wir am Vortag passiert haben, hat in der Zwischenzeit seine Leistung wieder etwas hochgefahren. Am nächsten Morgen präsentierte sich der Fluss mit ca. 40 cm höherem Pegelstand. Die Schwankungen des Wasserstands konnten wir bis zum Ende der Tour beobachten.


Der Wasserstand war am Vortag noch bei 12

Die letzte Etappe haben wir mit zwei Pausentagen im Gepäck angetreten und die letzte Etappe wollte es uns auch nicht einfach machen. Nach wenigen Kilometern polterte es am Himmel aus allen Richtungen. Ein Teil unserer Gruppe war schlau und hat sich für den darauffolgenden etwa zwei Stunden andauernden Regen unter einer Brücke eingerichtet. Uns aber war das zu albern, wir fuhren weiter.


Eisenbahnbrücke von der Seite

Als der Regen kurz mal etwas stärker wurde, haben wir wieder unsere Plane rausgeholt, aber das war langweilig. Das Gewitter war insgesamt nicht sehr doll und der Regen auch eher so ein gleichmäßiger Landregen, also haben wir die Regenjacken übergeworfen und sind weitergefahren.


Gefühl von Sicherheit

Nach etwa einer Stunde mussten wir feststellen, dass Regenjacken auf Dauer auch nur die Illusion von Trockenheit verkaufen. Wir trieben für einen Moment etwas ratlos und schweigend über den wirklich schönen Fluss, als vor uns drei gleißend helle Blitze senkrecht vom Himmel schossen und sofort von einem ohrenbetäubenden Knall untermalt wurden. Unsere schweigende Ratlosigkeit wurde von schweigender Schockstarre abgelöst. Ein paar Kurven später kam wieder eine Brücke, unter der wir ängstlich und frierend auf das Ende des Regens warteten.


Die fast letzte Etappe

Als wir die Etappe fortsetzten, haben wir in der Nähe von Schwetz eine imposante Eisenbahnbrücke durchfahren. Neben der Brücke war so ein kleiner Gedenkstein mit den Jahreszahlen 1850 – 2010 und einer kleinen Abbildung, die einen Meteoriten im Anflug auf die Brücke zeigte. Also dieser hier:


Der Brückengedenkstein

Das Bild und die in der Brücke deutlich sichtbaren erneuerten Segmente veranlassten mich zu folgender schlüssiger Theorie: Die 160 Jahre alte Brücke (1850 – 2010) muss im Vorjahr (eben 2010) von einem Meteoriten getroffen worden seien, weswegen die beschädigten Teile saniert werden mussten. Also, ehrlich, eine andere Interpretation ließen die vorhandenen Indizien nicht zu.


Die Schwetzer Eisenbahnbrücke – Der linke Teil ist neuer als der rechte

Das Internet ist wie immer natürlich viel schlauer und weiß, dass an dieser Stelle damals 1850 beim Bau der Eisenbahn ein Meteorit aus Eisen gefunden wurde. Ich finde meine Variante schöner.


Die letzte Etappe

Bevor wir unser Ziel erreichten, mussten wir auf unserer letzten Etappe noch zwei Mal die Boote umtragen. Das Umtragen ist recht anstrengend, da man die voll beladenen Boote eben ein paar Meter tragen muss, um sie auf der anderen Seite des Hindernisses (meistens ein Wehr) wieder einzusetzen. Ehrlich gesagt, macht das auch nicht besonders viel Spaß und leider muss man das auf der Wda recht häufig machen. Die letzte Umtragestelle vor Schwetz hat aber das Umtrage-Image der Wda nochmal deutlich aufgebessert, dort gab es nämlich Hilfe:


Umtragehilfe

Gut, die Umtragehilfe hat uns das Umtragen nicht nur erleichtert, sondern es überhaupt erst ermöglicht. Neben dem Wehr, dass es zu umtragen galt, hätten wir andernfalls mit den Booten eine sehr stark befahrene Straße überqueren müssen. Das wär ein Spaß gewesen. Stattdessen gab es hier dieses kleine unterirdische Gefährt, auf das wir die Boote einfach drauf geschoben haben und dann unter der Straße durch tunnelten:

War immer noch anstrengend, aber immerhin witzig.


Die letzte Etappe

Die letzte Etappe endete in Schwetz am Deutschordensschloss, neben dem sich auch gleich der Campingplatz befand, auf dem wir unsere Pausentage abarbeiteten. Letzte Etappe? Nein, das stimmt so nicht. Der Reiseführer und ich haben uns am nächsten Tag nochmal jeweils ein leeres Boot geschnappt, um den letzten Kilometer der Wda zu paddeln. Die Wda mündet dort in die Weichsel (die auf Polnisch viel schöner Wisla heißt) und eigentlich war mal geplant, mit der ganzen Gruppe die Weichsel ein paar Kilometer flussaufwärts zur schönen Stadt Chelmno zu fahren.


Das Deutschordenschloss in Schwetz

Der letzte Kilometer auf der Wda war tatsächlich unglaublich schön und lohnenswert. Von dem Plan die Weichsel hochzupaddeln, mussten wir uns allerdings sehr schnell verabschieden. Die Weichsel ist unglaublich groß, wenn man da mit dem kleinen Boot rauf fährt, erfasst einen schon ein kleiner Kulturschock. Aber dem darf man sich nicht allzu lange hingeben, denn als nächstes erfasst einen die unglaubliche Strömung.


Links die Wda, im Hintergrund die Mündung in die Weichsel

Wir haben ein paar Minuten versucht, gegen den Strom voranzukommen, aber mehr als 15 oder 20 m haben wir dabei nicht geschafft. Am Ende war ich froh, den Einfluss der Wda nicht zu verpassen. Es hat sich gelohnt, bis ganz zum Ende zu fahren und dann war ich doch traurig, dass wir nicht am Ursprung des Flusses gestartet sind. Die Wda ist wirklich ein schöner Fluss.


Skyline von Chelmo

Unseren Ausflug nach Chelmno haben wir am verbleibenden Tag zu Fuß unternommen, was auch nicht unsere beste Idee war. Der zweistündige Fußmarsch über die Äcker an der Weichsel zur besten Mittagshitze war ein wenig anstrengend.


Die reißende Weichsel

Der letzte Plan auf unserer Tour, der den Feindkontakt nicht überlebte, war die Abreise. Auf dem kleinen Bahnhof Terespol Pomorskie gibt es nur zwei Bahnsteige. Unseren Zug erwarten wir gemäß Fahrplan auf Bahnsteig 2, zur der angegebenen Zeit fuhr jedoch ein Zug auf Bahnsteig 1 ein und wenn auf so einen kleinen Bahnhof zur richtigen Zeit ein Zug einfährt, dann verhandelt man nicht mit Kleinigkeiten wie der Fahrtrichtung, nein, man rennt wie angestochen zum anderen Bahnsteig und steigt ein.


Chelmo

Den Gesichtsausdruck des Fahrkartenkontrolleurs werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen. Aber auch er war nett und freundlich, hat sich um einen Dolmetscher bemüht und uns geduldigt erklärt, dass wir Mist gebaut haben. Die Sache hatte aber auch etwas Gutes: Wir sind zwei Mal über die Meteoritenbrücke gefahren, worüber ich mich damals mehr gefreut habe als ich es heute tun würde.


5 vor 12

Das komplette Fotoalbum unseres Trips gibt es hier.

* Mir ist klar, dass man nicht pauschalisieren sollte, aber das Verhalten habe ich in den Jahren schon oft bei den Polen beobachtet. Gerade in den Naturschutzgebieten und Nationalparks finde ich das schade. Wir nehmen unseren Müll übrigens immer mit, wenn wir irgendwo wild campen oder nur Biwakplätze ohne Mülltonnen nutzen. Und bis mir jemand das Gegenteil beweist, wage ich zu behaupten, dass Deutsche zumindest in Naturschutzgebieten mehr Respekt vor der Natur haben.

  1. Ich finde es grundlegend immer bedentlich „Feindkontakt“ und „Polen“ in einem Satz zu erwähen. Aber ansonsten ein toller Bericht den ich komplett gelesen habe 😉

  2. Ich habe selten einen so unterhaltsamen Bericht gelesen. Auch die Fotos sind wunderbar. Danke!

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Webmentions

  • Jahresrückblick 2011 | sixumbrellas 18. Mai 2013

    […] Außerdem bin ich in noch keinem Jahr soviel gepaddelt wie in 2011: Zwei Tage in Potsdam, ein Tag in Zeuthen, ein Tag in Templin und die üblichen zwei Wochen in Polen. […]