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David Small – Stiche

Stiche macht keinen freundlichen Eindruck. Es ist ein großes und schweres Buch und schon beim ersten Durchblättern der Seiten schlagen einem viel Grau entgegen und viele ernste Gesichter. Und die Geschichte hält, was der erste Eindruck verspricht.

David Small erzählt in Stiche die beklemmende Geschichte seiner Kindheit im Detroit der Fünfziger. Zuneigung wird in seiner Familie nur sehr sparsam verteilt, es herrscht eine beständige Atmosphäre von Aggression, Wut und Angst. Besonders das Verhältnis zwischen David und seiner Mutter ist von gegenseitiger Verachtung geprägt.

Von seinem Vater wird David mit reichlich medizinischer Fürsorge bedacht, mit Medizin, Spritzen und Einläufen. Eine besondere Rolle spielt die Spezialisierung des Vaters auf die Radiologie, die er auch an David ausgiebig auslebt.

David flüchtet sich in seine Traumwelten. Die eine davon betritt er freiwillig, in dem er sich seinen Zeichenkünsten hingibt. In die andere wird er Nacht für Nacht unfreiwillig hineingezogen. Dort geht es selten erfreulicher zu als in seiner realen Umgebung, es fällt als Leser zu weilen schwer, zwischen Albtraum und der echten Welt zu unterscheiden.

So schwer zugänglich wie die Geschichte selbst, ist sie auch dargestellt. Je nach Situation wird die Stimmung mal durch schweres Grau förmlich erdrückt, mal durch ein beklemmendes und grelles Weiß regelrecht eingesperrt. Die Szenen sind mal verwaschen, mal messerscharf dargestellt, die Charakter mal schemenhafte Geister, mal bis ins feinste Detail ausformulierte Fratzen.

Stiche ist kein freundliches Buch. Es ist keine schöne Geschichte und es sieht nicht schön aus. Nein, Schönheit will der Autor wahrlich nicht vermitteln. Es ist aber eine sehr spannende Geschichte, die den Leser fassungslos und wütend im Bann hält. Man taucht regelrecht ein in die Vielschichtigkeit der Zeichnung, so dass es auf seine tragische Art eben doch wunderschön ist.

Man muss David Small am Ende sehr dankbar sein für die wenigen klärenden Worte im Anhang, die das Gelesene ein wenig greifbarer machen. Es ist schade, dass er diese Informationen nicht im eigentlichen Erzählfluß unterbringen konnte, so haftet der Geschichte am Ende ein wenig der Makel der Unvollständigkeit an.

Stiche ist ein sehr beeindruckendes Werk und überaus empfehlenswert. Hier kann man es bestellen.

Offenlegung: Das Rezensionsexemplar wurde mir von Graphic Novel Books zur Verfügung gestellt.

  1. Hallo Toba,
    tolle Rezension. Der Begriff „sperrig“ ist mir beim Lesen der Geschichte eingefallen. Doch ich finde im Gegensatz zu dir toll, dass die erklärenden Details als eine Art Nachwort hinter der eigentlichen Geschichte stehen. Das Buch ist ja hauptsächlich aus der Sicht des jungen David erzählt, der nicht wirklich versteht warum sich seine Eltern und hier vor allem seine Mutter so verhalten. Ein alleswissender Erzähler, der so jung ist, schreckt mich zum Beispiel immer ab. Aber dankbar war ich auch um die erklärenden Worte, sonst würde man am Ende der Geschichte doch recht verstört zurückbleiben.

    • Hallo Tita,

      danke für dein Feedback! Das mit der Perspektive eines kleinen Jungen ist natürlich richtig und ich kann mir auch nicht vorstellen, wie die Geschichte anders funktioniert hätte. Ich fands eben nur schade, dass der entscheidende Schlusspunkt so lieblos im Anhang steckt. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, das Buch so oder so großartig.

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