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Lang Lang wurde 30

Ihr kennt das, mit dem geschenkten Gaul und dessen Maul und so, richtig? So ähnlich war das am letzten Freitag mit mir und dem Lang Lang, ich dürfte also eigentlich gar nichts darüber schreiben. Aber was wäre dieses Blog, wenn ich eine Gelegenheit zum Meckern auslassen würde?


Lang Lang

Lang Lang ist sowas wie der Jackie Chan unter den Starpianisten. Ähnlich wie Jackie Chan ist er sehr populär und wird von seinen Fans geliebt, wird aber von Kritikern und Kollegen nicht ernst genommen und bekommt keine Charakterrollen. Ok, der Vergleich hinkt vielleicht ein wenig, aber ihr wisst schon, was ich meine. Jedenfalls wurde der Herr Lang am vergangenen Donnerstag 30. Weil da aber das Amanda Palmer – Konzert war, hat er seine Party netterweise auf Freitag verlegt und uns alle in die O2 World eingeladen.

Das war eigentlich ziemlich cool, weil ich bisher noch keine Gelegenheit hatte, diesen hässlichen Klotz mal von Innen zu begutachten. Abgesehen von den Bierpreisen scheint die Halle ganz cool zu sein, allerdings vollkommen ungeeignet für Klassik-Konzerte. Was an diesem Abend natürlich blöd war, weil Lang Lang und das Orchester, das er zur Verstärkung dabei hatte, ja vor allem klassische Musik spielten. Im Gegensatz zu Pop, Rock oder Elektro hat klassische Musik eine andere Dynamik, es gibt wesentlich stärkere Schwankungen in der Lautstärke. So gibt es zum Beispiel sehr feine und leise Passagen, die in so einer großen Halle unter dem Rauschen der Klimaanlage völlig untergehen. Bei den Lauten Teilen war das Orchester hingegen völlig überfordert gegen die schiere Größe der Halle anzuspielen. So eine richtige Band macht dort aber bestimmt Spaß.


Lang Lang

Weil Lang Lang Geburtstag hatte, hat er sich Gäste eingeladen, die mit ihm zusammen feierten. Einer davon war Herbie Hancock, ein berühmter Jazz-Pianist, wie man mir versicherte. Die beiden haben sich auf ihren Flügeln nette Duelle geliefert. Also, ich glaube zumindest, dass das für Menschen, die gerne Star-Pianisten hören, nett war. Ich fand’s eher so lala. Star-Pianisten haben die Angewohnheit sehr akzentuiert und individuell zu spielen, wegen ihres akzentuierten und individuellen Spielstils, vermute ich. Das heißt, Betonung und Timing weichen von einem zum anderen Star-Pianisten schon mal ab. Wenn sich da jetzt zwei davon gegenüber sitzen und munter los improvisieren, dann nimmt der Laie das schon mal schnell als willkürliches Rumgeklimper wahr.

Noch schlimmer wird es, wenn dann das Orchester einsetzt. In einem Orchester gibt es für jeden Musiker strikte Vorgaben, was Betonung und Timing angeht. Deswegen hat jeder von denen Notenblätter vor sich und achtet auf den Dirigenten, der seinen Namen tanzt den Takt vor gibt. Für sich allein hat das Orchester auch wunderbar geklungen, das war schöne Musik. Mit den Pianisten zusammen wollte das aber so ganz und gar nicht harmonieren.

Das mit den Notenblättern war übrigens sehr unterhaltsam: Offenbar brauchen auch Star-Pianisten ab und zu Notenblätter. Vielleicht um zu beweisen, dass sie wirklich Noten lesen können. Jedenfalls haben sie dann aber trotzdem beide Hände voll zu tun mit Klavierspielen und können nicht umblättern, weswegen dann neben jedem der Star-Pianisten eine Umblätterfrau sitzt und mehr oder weniger rechtzeitig in die mehr oder wenige richtige Richtung umblättert. Gibt es da keine iPad-App für?


Lang Lang

Ich fragte mich dann, was schlimmer sein könnte, als zwei Pianisten gleichzeitig zuzuhören. Die Antwort ist verblüffend einfach: 52 Pianisten gleichzeitig zu hören. In der zweiten Hälfte ging hinter der eindrucksvollen Bühne eine Wand hoch, hinter der weitere 25 Flügel und 50 Kinder zum Vorschein kamen. Per Videoleinwand wurde uns angekündigt, dass diese Kids die Gewinner von einem Youtube-Wettbewerb waren, irgendwie zu Lang Langs Nachwuchsförderung gehörten und deswegen mit Lang Lang zusammen auftreten durften. Für die Kids war das sicherlich das Größte und ich glaube gerne, dass da talentierte Knirpse dabei waren. Aber talentierte Jungpianisten haben leider etwas Entscheidendes mit Star-Pianisten gemeinsam: Das individuelle und akzentuierte Klavierspiel, auch wenn sich die Kids dem vielleicht aus der entgegengesetzten Richtung annähern. Dankenswerterweise haben sie sich vergleichsweise einfache und bekannte Stücke rausgesucht, so dass sich der Schaden in Grenzen hielt.

Am Ende haben alle Happy Birthday gesungen und es gab Feuerwerk und Konfetti, was Lang Lang vor Überraschung glatt aus den Latschen gehauen hat. Wird wohl mein letztes Lang Lang – Konzert gewesen sein, trotzdem alles Gute nachträglich nochmal von hier!


Lang Lang und Konfetti