in real life

Regatta

Manchmal ergeben sich ja im Leben so Gelegenheiten, die man sich nicht entgehen lassen kann. Da muss man einfach dahin gehen, wo es weh tut. Einfach, um aus erste Hand zu erfahren, dass es weh tut. Für mich ergab sich eine solche Gelegenheit am letzten Wochenende, als ich zu einer Regatta eingeladen wurde.


Die Pax wird aufgetakelt

Regatta ist ein anderes Wort für Wettrennen, auf dem Wasser, mit Booten, zu dem sich die verschiedenen Segelvereine regelmäßig treffen. Letztes Wochenende fand die Regatta in Boltenhagen statt, bei dem dortigen Verein. Insgesamt waren 13 Boote am Start und auch wenn der eigentliche Anlass unseres Besuchs im menschenleeren Mecklenburg-Vorpommern nur am Rande mit der Regatta zu tun hatte, wurde mir die Sache damit schmackhaft gemacht, dass die Boote immer mal wieder etwas zusätzliches Gewicht für die Wettfahrten suchen würden. Gewicht, dachte ich mir, das kann ich.


Die Pax wird aufgetakelt

So kam es, dass ich Freitag Nacht einem Boot – der Pax vom Stralsunder Segelverein – zugeteilt wurde, dessen Steuermann – das ist bei Seglern sowas wie der Kapitän – mich für den nächsten Morgen um acht zum Boot bestellte. Meinem in Alkohol eingelegten Gehirn wurde schlagartig klar: Segeln ist kein Spaß! Es sollte Recht behalten.


Die Pax wird immer noch aufgetakelt

So verrückt wie das klingt, aber ich war tatsächlich am nächsten Morgen um 8 am Boot, womit allerdings niemandem geholfen war, denn das Boot befand sich noch an Land und wurde erst eine Stunde später via Kran zu Wasser gelassen. Anschließend wurde aufgetakelt, also Masten aufgestellt, Bäume ge.. baumt, Segel eingefädelt und allerhand Strippen verknotet und festgezogen. Neben meiner Kernkompetenz als Gewicht, konnte ich hier eine weitere meiner hochgeschätzten Qualifikationen ausspielen: Im Weg stehen.


Auslaufen

Ein paar Stunden später waren wir dann auch schon auf dem Wasser, in einer Ostsee-Bucht vor Boltenhagen um genau zu sein. Leider war meine gewichtige Präsenz auf dem Boot nicht ausreichend für das anstehende Ereignis, meine – übrigens durchweg nette und zuvorkommende – Crew begann damit, mir Aufgaben zuzuweisen. Das stellte sich sehr bald als problematisch heraus, denn Segler sprechen in fremden Zungen. Wirklich. Die sprechen kein Deutsch. Das ist eine vollkommen eigene Sprache mit Worten, die überhaupt keinen Sinn ergeben. Die sagen nicht rechts oder links, sondern Steuer- und Backboard. Oder umgekehrt. Und manchmal noch nicht mal das, da heißt das wieder Luv oder Lee, was alle fünf Minuten was anderes bedeutet, aber extrem wichtig für alle an Bord ist, die sich übergeben müssen. Für unschuldige harmlose Worte, die niemandem etwas getan haben, haben Segler ein ganzes Repertoire an unsinnigen Ersatzwörtern parat. Die sagen z.B. nicht einfach Seil, nein da heißt es Schot, Fall oder Tau. Kostprobe gefällig? Bitteschön:

Das Besondere am Spinnaker ist, dass er im Gegensatz zu anderen Schratsegeln mit vollkommen freien Lieken an zwei Schoten gefahren wird. Dabei wird die Leeschot als Spischot, die Luvschot als Achterholer bezeichnet (siehe auch: Luv und Lee).
Der Hals des Spinnakers, seine Luvseite, wird mithilfe eines Spinnakerbaumes ausgebaumt und am Mast abgestützt. Mit dem Achterholer kann der Winkel des Spinnakerbaumes zum Mast verändert werden. Der Spibaum sollte immer im rechten Winkel zum scheinbaren Wind stehen. Durch das Vorstag ergibt sich aber eine Begrenzung des Winkels. Ab einem Winkel von 70 Grad zum Wind erzeugt eine Genua mehr Vortrieb.

Beschreibung des Spinnakers in der Wikipedia

Meinem Schnellsprachkurs vom Wochenende ist es zu verdanken, dass ich ca. 60% von dem Abschnitt da oben verstehe. Ich schreib mir jetzt Grundkenntnisse Segleristik in meinen Lebenslauf!


Die Konkurrenz

Meine Aufgabe an Bord war übrigens das hochziehen des oben bereits erwähnten Spinnakers – auch liebevoll Spi genannt. Das ist das große bunte Segel, das man bei Segelbooten manchmal ganz vorne am Boot sieht. Das musste aus mir zunächst völlig unbegreiflichen Gründen unterwegs immer mal wieder gehisst und dann wieder runter genommen werden und ich musste dann immer an der einen Strippe ziehen, bis das Ding oben war. Die anderen haben dann immer ganz wild an den andere Strippen gezogen und sich gegenseitig angebrüllt, bis das Spi irgendwie richtig saß.

Nach meiner Beobachtung waren das auch zwei zentrale Kernkomponenten des Segelns: An Strippen ziehen und sich gegenseitig anschreien. Fast alles, was man in einem Segelboot bedienen kann, wird über das Ziehen oder Lösen einer Schnur bedient. Egal, ob Segel gesetzt oder das Schwert gehoben oder gesenkt wird. Für alles gibt es eine Strippe. Und da die jeweiligen Aktionen immer möglichst gleichzeitig und schnell passieren müssen, sind immer alle ganz hektisch und brüllen rum.

Das ist für Außenstehende erstmal gewöhnungsbedürftig. Da zerrt man irgendwo an einer Strippe, ist aber nicht schnell genug und alle brüllen und man denkt sich, Oh oh, gleich muss ich nach Hause schwimmen! und wenn dann die Wende oder Halse, also das um die Kurve fahren geschafft ist, klatschen sich alle ab und freuen sich, wie toll das gerade lief. Erwähnte ich schon, dass meine Crew wirklich total nett und zuvorkommend war?


Zuschauerperspektive

Wenn man mal nicht damit beschäftigt war, an Strippen zu ziehen, dann musste man sitzen und zwar richtig. Das klingt jetzt banal und einfach, ist aber elemental und recht anstrengend. Wenn das Boot nämlich kreuzt und der Wind von der Seite kommt, dann kommt das Boot in Schräglage und alle Mann an Board müssen sich auf die hohe Kante setzen und dabei ziemlich weit raushängen lassen, damit das Boot nicht umkippt oder voll Wasser läuft. Mal abgesehen davon, dass einem hinterher wie blöde der Arsch weh tut, hat das ziemlichen Spaß gemacht, so hoch über den Wellen zu sitzen und den Wind in den Haaren zu spüren.


Das Ende des Tages

Von den eigentlichen Abläufen der Regatta oder der Streckenführung habe ich nicht allzu viel mitbekommen. Ich habe meistens nicht mal mitbekommen, wann ein Rennen begonnen hat. Witzigerweise hat das bei der zweiten Wettfahrt niemand so richtig mitbekommen, als unser Boot zufällig genau zum Start an der Startlinie war. So, wie ich das verstanden habe, war das aber ganz gut für uns.

Was auch schwer zu überblicken war, waren die einzelnen Platzierungen. Während der Wettfahrt war es meist gar nicht möglich abzuschätzen, ob ein Boot nun vor oder doch eher hinter einem war. Am Ende war der Tag für uns gar nicht so schlecht, wir haben drei Mal den dritten Platz erreicht und einmal den fünften, was in der Gesamtplatzierung den dritten Platz machte und insgesamt ein tolles Ergebnis war. Die beiden Plätze vor uns wurden von deutlich professionelleren Crews geholt, die irgendwie schon deutsche Meisterschaften gewonnen hatten.


Die Siegerboote am nächsten Morgen

Es war ein faszinierender Einblick in eine völlig andere Welt und ich bin sehr dankbar für diese Gelegenheit. Ich möchte mich an der Stelle nochmal ausdrücklich bei der Crew der Pax bedanken, die sich so fürsorglich um mich gekümmert haben und mir geduldig alles erklärt haben. Ganz besonderer Dank geht an ein passives Mitglied der Crew, das mir netterweise die Regensachen geliehen hat. Ist dann doch ein recht feuchter Sport.

Die haben mich ja alle nach der Regatta gefragt, wie es mir gefallen hat und ich habe dann immer geantwortet, dass ich es toll fand, es mal ausprobiert zu haben, aber Segeln wohl nicht meine Lieblingssportart werden wird. Das ist als Sport recht unentspannt, weil man ja quasi ständig dabei ist, irgendwas am Boot umzubauen: Das eine Segel hoch, das andere runter, jetzt alles nach lins rüber, dann nach rechts. Das ist nicht meins. Allerdings finde ich den Aspekt der Rennstrategie wiederum recht spannend, im richtigen Moment zu erkennen, wo der Wind günstig steht, um so der Konkurrenz eins auszuwischen. Ich kann die Faszination dafür schon nachvollziehen.


Eine Qualle

  1. Wunderbar, ich habe mich beim lesen fast bepinkelt vor lachen. Deshalb auch deine knurrige Antwort auf meinen Anruf, ganz der rauhe Seebär

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