Wie man es auch dreht und wendet, man kommt in diesem Sommer am Wetter nicht vorbei, genauer gesagt: Am schlechten Wetter. So auch wir nicht, als wir am vorvergangenen Wochenende in Vorbereitung auf unsere jährliche Paddeltour die Unstrut bepaddelt haben.
Die Unstrut ist ein schöner Fluß. Sie ist relativ breit, so dass gern auch mal drei Kajaks nebeneinander umherschippern können und sie mäandert in angenehmer Strömung dahin, dass man sich gerne auch einfach mal nur treiben lassen kann, ohne es dabei jemals gefährlich werden zu lassen. Ein Fluß für die ganze Familie, möchte man sagen, wenn das nicht arg abgegriffen klänge.
Als Verleih hat sich unser Reiseleiter Outtour in einem Örtchen mit dem wunderschönen Namen Kirchscheidungen rausgesucht (hier in einer TV-Reportage zu sehen), den ich nach unseren Erfahrungen auch sehr gerne weiterempfehlen möchte.
Die geplante Zwei-Tages-Tour hatte den praktischen Vorteil, dass – anders als bei unseren Touren in Polen – unsere Zelte und das Gepäck auf dem Platz von Outtour bleiben konnten. Am Samstag ließen wir uns mit Booten ca. 20 Km flussaufwärts bringen, um dann die erste Tagesetappe zurück bis zum Campingplatz in Kirchscheidungen zu paddeln. Am Ende der zweiten Tagesetappe ließen wir uns dann ca. 20 Km flussabwärts in der Nähe von Naumburg wieder einsammeln. Es war also alles sehr entspannt.
Eine mimische Interpretation meiner Gemütslage bzgl. vorherrschender meteorologischer Verhältnisse
Nicht ganz so entspannt zeigte sich leider das Wetter. Die erste Hälfte des ersten Tages paddelten wir noch im Regen, der erst aufhörte, als wir unser erstes Ausflugsziel Nebra erreicht hatten. Nebra ist ein interessantes kleines Örtchen. Also, erstmal ist es gar nicht so klein, man kann zu Fuß darin wunderbar stundenlang umherirren, ohne dabei, sagen wir, über einen samstags geöffneten Supermarkt zu stolpern. Und dann kann man ganz sicher nirgends in Nebra zwei Schritte gehen, ohne ein Abbild der berühmten Himmelsscheibe von Nebra zu erblicken. Die Nebraner sind so irre stolz auf ihre Himmelsscheibe, dass ich zu Hause (weil in Sachsen-Anhalt hat man ja kein mobilen Internet-Empfang) sofort erstmal recherchieren musste, was es damit denn auf sich hat. Und so ganz unbegründet scheint dieser Stolz gar nicht zu sein, handelt es sich doch bei dieser Himmelsscheibe um ein recht bedeutsames archäologisches Artefakt, dessen Fundgeschichte alleine Stoff für mehrere mittel- bis halbgute B-Movies hergeben sollte. Aber lest selbst!
Prominent über der Unstrut thront dann auch die Arche von Nebra. Dieses Gebäude wurde in unmittelbarer Nähe zum Fundort der Himmelsscheibe errichtet, dient als eine Art Besucherzentrum und bietet ein recht illustres Programm rund um alle denkbaren wissenschaftlichen Themen, die auch nur im entferntesten mit der Himmelsscheibe in Verbindung zu bringen sind. Jedenfalls stand das in einem der Flyer, der irgendwo rumlag. Falls jemand mal als Familie mit Kind in der Gegend unterwegs sein sollte, ist das sicher keine schlechte Adresse.
Unsere Aufmerksamkeit hatten nach der Erkundung von Nebra aber eher die Öffnungszeiten der einzigen Schleuse, die wir an diesem Tag auf dem Programm hatten, deutete sich doch an, dass es vielleicht knapp werden könnte, noch vor Schleusenschluss bei selbiger einzutreffen. Also brachten wir die noch offenen 10 oder 11 Km im Eiltempo hinter uns. Dabei ist durchaus sehr schöne Landschaft und eine faszinierende Tierwelt an uns vorbeigerauscht. Die Highlights dabei waren sicher der Otter, den ich im Uferbereich beobachten konnte und der riesige Raubvogel der hoch oben in der Pappel saß und einmal kräftig und geräuschvoll nur wenige Meter neben unser Kajak in die Unstrut schiss.
Den vermeintlichen Schleusenschluss hatten wir nicht mehr geschafft, wurden aber bei unserer Ankunft von einem gleichermaßen freundlichen wie schlecht zu verstehenden Schleuser empfangen, der uns in mehreren Anläufen zu erklären versuchte, dass trotz der aktuellen Wetterlage die Sommeröffnungszeiten gelten würden und er uns sehr gerne noch schleusen würde.
Überhaupt war ich schockiert über die herzliche Freundlichkeit, die uns dort unten im südlichsten Zipfel von Sachsen-Anhalt entgegenschlug. Als Berliner kann ich hier wohl mit Fug und Recht von einem Kulturschock sprechen, daran muss man sich erstmal gewöhnen. Genauso wie an die Tatsache, dass Sachsen-Anhalt sich nicht ohne Grund als Land der Frühaufsteher bezeichnet. Nach einer langen Nacht am Lagerfeuer mit Weinen aus der Region, hieß es Aufstehen um 8. Um acht!
Die zweite Etappe auf der Unstrut führte uns in die Weinanbauregion rund um die Stadt Freyburg, welche auch unser Ausflugsziel des Tages war. Doch zunächst paddelten wir vorbei an idyllischen Weinhängen, die ich angesichts der immer noch grauen und trüben Wetterlage für reine Dekoration hielt. Unterwegs mussten wir die Erfahrung machen, dass auch in den Sommeröffnungszeiten der Schleusen eine Mittagspause enthalten ist, so dass wir zumindest einmal unsere – immerhin leeren – Boote umtragen mussten.
Erst als wir unsere letzte Schleuse vor Freyburg erreichten, besserte sich die Wetterlage. Unseren Ausflug in die Stadt konnten wir bei schönstem Sonnenschein auf der Stufe Mega-Sonnenbrand genießen.
Freyburg ist eine nette lauschige Touristenstadt, die man mal mitnehmen kann. Ich tippe mal vorsichtig drauf, dass es im September bei einem der örtlichen Weinfeste noch eine Spur netter sein könnte.
Bekannt ist Freyburg – eine Stadt die man niemals in einem Gespräch erwähnen kann, ohne die erste Silbe zu buchstabieren – dank der Rotkäppchen-Werke, wo für Touristen wie uns interessante Führungen in den historischen Kelleranlagen angeboten werden. Es ist ganz unterhaltsam, wenn man da mit einer Horde unglaublich witziger Ausflugsrentner durch die romantischen Kellerhallen voller Deko-Fässer geführt wird und dabei einen gleichermaßen witzigen wie spontanen Vortrag über die Unternehmensgeschichte zu hören kriegt.
Nein, so schlimm war es gar nicht. Tatsächlich erfährt man ein paar recht interessante Sachen über die Sektherstellung und über Rotkäppchen und nach einer halben Stunde ist der Spuk auch vorbei und man bekommt ein Glas Sekt aufs Haus.
Es gibt während der Führung übrigens auch eine Mitmachnummer von der ich euch nur dringend abraten kann. Nicht, dass es besonders schlimm wäre, durch eine winzige Öffnung in so ein historisches Sektfass zu krauchen. Das sieht etwa so aus:
Aber als Belohnung bekommt man dafür ein Fläschchen Mocca Perle, welche meiner Meinung nach klar gegen die Genfer Konvention verstößt. Stellt euch eine Mischung aus Sekt, Kaffee und viel viel Zucker vor…
Da man von Kellerrundgängen keinen vernünftigen Sonnenbrand bekommt, sind wir nochmal für ein oder zwei Stündchen in die Boote gestiegen und die letzten Meter auf der Unstrut bis zur Saale gepaddelt. Die Saale war gleich mehrere Kaliber größer als die Unstrut, breiter und schneller. Schade, dass wir nach nur wenigen Metern schon am Ende unserer Tour angekommen waren.
Also, falls ihr dringend mal in Deutschland paddeln gehen wollt, die Ecke da bei Saale und Unstrut kann ich wärmstens empfehlen, selbst bei schlechtem Wetter.