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Demokratie spielen

Es wird jetzt etwas politisch. Für Leser außerhalb Berlins vielleicht etwas zu lokal-politisch. Und Bilder gibts auch keine.

Mir ist letztens eine Wahlbenachrichtigung ins Haus geflattert, denn ganz Berlin darf abstimmen: Soll der Flughafen Tempelhof nun geschlossen werden oder nicht?

Die diversen Unterschriftensammlungen zu dem Thema habe ich nur am Rande mitbekommen. Eine Meinung habe ich mir zu dem Thema bisher nicht gebildet. Jetzt wird das Ganze aber ganz groß aufgezogen. Auf einmal hängen an jeder Ecke schmierige Wahlplakate, die irgendwas von VIP-Flughafen und Fluglärm faseln. Das ist so platt, das bei mir spontan ein Widerstandsreflex aufgelöst wird. Vielleicht ist an der Sache ja was dran, vielleicht sollten wir Tempelhof behalten. Vielleicht sollte man sich mal umschauen, was da eigentlich dahinter steckt. Und vielleicht sollte man sich mal mit dem Thema beschäftigen.

Erster Anlaufpunkt ist die Argumentation, die gleich mit der Wahlbenachrichtigung ausgeliefert wird. Beide Parteien dürfen auf jeweils einer Hand voll Seiten Floskeln an den Mann bringen, die belegen, dass nur sie Recht haben. Die Tempelhof-Befürworter – ich nenne sie im Folgenden einfach mal Templer – schreiben so schlaue Sachen wie: Tempelhof retten. Eine historische Entscheidung! oder Tempelhof muss Verkehrsflughafen bleiben. Es geht darum, den historischen Stellenwert zu bewahren, Arbeitsplätze zu retten und einen strategisch wertvollen City-Flughafen zu behalten. Und so weiter. Alles jedoch, ohne irgendwelche Zahlen oder Fakten zu nennen oder zu belegen. Das klingt stark nach Meinungsmache und Stammtischpolitik.

Auf der anderen Seite stellen sich Senat und Abgeordnetenhaus auf. Keine Sorge, ich weiß auch nicht, worin der Unterschied zwischen beiden liegt. Mein Leben funktionierte bisher wunderbar auch mit dieser politischen Bildungslücke. In Ermangelung eines besseren Begriffs fasse ich beide einfach mal unter Senat zusammen, wird schon passen. Der Senat jedenfalls stützt sich auf die Argumentation, dass es ja schon irgendwo konsequent wäre, dass wenn man schon einen Großflughafen in Berlin baut (BBI in Schönefeld), es auch sinnvoll und gewollt ist, die anderen beiden innerstädtischen Flughäfen Tegel und Tempelhof zu schließen. Zumal innerstädtische Flughäfen auch soviel Unannehmlichkeiten mit sich bringen, wie Lärm, Unsicherheit und Umweltverschmutzung. Darüber hinaus kann man sich mit diversen richterlichen Entscheidungen gewichtiger Gerichte brüsten. Klingt auch erstmal nicht viel besser, als das was auf den Plakaten steht.

Aber dann macht der Senat doch etwas besser, als die Templer auf der Gegenseite: Er bringt wirklich Zahlen und Fakten! Von 40.000 Arbeitsplätzen im neuen Großflughafen ist da die Rede. Wieviel Leute arbeiten eigentlich in Tempelhof? Weiterhin gibt es schlüssige Konzepte zur Neugestaltung des frei werdenden Geländes. Von weitern 5.000 Arbeitsplätzen wird gesprochen. Außerdem wird es ein Museum geben und vielleicht eine Forschungsstätte rund ums Thema Fliegen. Außerdem kann man dann wieder im neuen Tempelhofer Park joggen und skaten und Luft atmen und wohnen und was hören und sich sicher fühlen und so weiter.

Also scheint die Sache am Ende ganz einfach. Pro und Contra gegeneinander abwiegen, sich dagegen entscheiden und es sich am 27. April einfach machen. Denn wer zu Hause bleibt, stimmt automatisch gegen Tempelhof, heißt es. Na wie praktisch. Faulenzen und sich obendrein auch noch voll demokratisch fühlen. Das ist doch mal was.

Wäre da nicht dieses ungute Gefühl, als Spielball höherer Mächte einfach nur ausgenutzt zu werden. Machen wir uns nichts vor: Auf der einen Seite kämpft die Lobby der Profiteure von Flughafen Tempelhof gegen die Lobby der Profiteure von Tempelhof ohne Flughafen. Wird Tempelhof erhalten, verdienen sich die einen dumm und dämlich, wird er geschlossen, kassieren die anderen. Was hab ich davon? Nicht viel, denn allein die aktuelle Plakatkampagne und Abstimmung kosten bereits Millionen, vermutlich Steuergelder. Und sonst? Auch nix, denn:

Das Ergebnis dieses Volksentscheides ist rechtlich jedoch nicht bindend, da das Volksbegehren keinen konkreten Gesetzentwurf zum Gegenstand hat, sondern lediglich eine Stimmung ausdrücken soll.

Quelle: Wikipedia

So ganz nebenbei hat die BVG seit dem 1. April übrigens Flughafen Schönefeld ins Tarifgebiet C ausgelagert. Auf welcher Seite die wohl stehen?

Ganz ehrlich, ich fühle mich verarscht. Und ihr so? Bitte sachdienliche Hinweise in die Kommentare, ich hab nur noch 22 Tage, um mich zu entscheiden.

  1. meine meinung.NEIN er darf nicht geschlossen werden.denn das ist im moment ein klarer standortvorteil für investoren.welche andere stadt sonst hat noch zwei city flughäfen.
    beste grüsse. 🙂

  2. ich bin auch noch unentschlossen…ich kann das standort-vorteil-argument verstehen, das hat schon was…aber die kostenfrage finde ich nicht unwichtig…die pro-tempelhof-fraktion fragt ja in dem schicken heft (jap, ich habs gelesen *gesteh*), warum man auf die einnahmen durch den flugbetrieb verzichten sollte…hingegen schreibt das abgeordnetenhaus, dass der flugbetrieb den steuerzahler jährlich 5,8 millionen gutgelaunte europäer kostet…das widerspricht sich irgendwie…und so sehr wie ich die billigen sprüche der anti-tempelhof-anziegenkampagne nicht mag – ist es das wert?!
    der zweite punkt, den ich nicht durchblicke sind die gerichtsurteile und vereinbarungen. wenn bbi wirklich nur dann weiterbaut werden darf wenn tegel UND tempelhof dichtmachen, dann bin ich eindeutig für bbi…wenn flughafen, dann richtig…

    nuja, n paar tage sind ja noch…

  3. wie sieht denn deiner meinung nach dieser standortvorteil für investoren genau aus? denn über diesen flughafen können weder großartig güter noch menschen transportiert werden, er kann großen unternehmen, oder auch kleinen, also keine verbesserung der infrastruktur bieten. für mich hat dieser flughafen zumindestens was investoren angeht keine positiven auswirkungen.

  4. nein, für große massen von menschen oder gütern ist der nix…

    aber für geschäftsleute und sonstige keine-zeit-haber macht es denke ich schon einen unterschied, ob man 20 minuten in tempelhof ist oder in ner dreiviertelstunde in schönefeld (bitte jetzt nicht auf die Zeiten festnageln)

    mir ist aber durchaus bewusst, dass das wenigen leuten hilft, und deswegen das verhältnis zu den kosten für den steuerzahler gewahrt sein muss…

  5. Aus der Sicht eines Nicht-Berliners finde ich, dass der Flughafen Tempelhof für Kleinflugzeuge für Geschäftsleute bleiben könnte. Die große Masse wird dann über Schönefeld abgefertigt. Also, Du „Gern- Berliner“, es liegt an Euch, das richtige zu entscheiden. Zur Wahl zu gehen, gibt immer ein gutes Gefühl. Man bildet sich dann ein, am Weltgeschehen teilgenommen zu haben.

  6. also zu den steuergeldern kann ich nur sagen: ob die steuergelder nach tempelhof fliessen oder nicht ist egal.denn würden diese gelder bei einer schliessung gespart und zb. für eine schulspeisung ausgegeben?bestimmt nicht!denn ich bin überzeugt das die gesparten gelder schon für den neuen bbi verplant sind.

  7. Weniger ist mehr könnte man sagen. Tempelhof hat allein im letzten Jahr 22% seiner Passagiere verloren. Ob das nun am Damoklesschwert der Schließung liegt, dass sei erstmal dahingestellt. Die ICAT wirft so schön mit Zahlen und Fakten um sich, aber diese sind einseitig. Auf der anderen Seite steht eine Bild-Polemik vom Feinsten. Wem soll man denn nun glauben?

    Fakt ist, dass es ein Angebot für Tempelhof gibt, Fakt ist aber auch, dass dies bedeuten würde, dass der Flugbetrieb nicht eingestellt wird.
    Fakt ist auch, dass es Pläne gibt, die nach der Schließung die Fläche sinnvoll zu nutzen und Tempelhof wirklich mal eine „Zentrum“ zu geben, dass vor allem die Lebensqualität verbessert.

    Was mich aber am meisten an der Debatte stört, dass ist die Tatsache, dass hinter der ICAT die CDU steht. Nicht um der CDU Willen, aber um die Tatsache, dass sich hier eine Partei mit einem Volksbegehren brüstet, wo sie doch bekannt dafür ist, dass sie selbiges, wenn es nicht im eigenen Interesse ist, lieben gern abschmettert und missachtet (siehe Hamburg).

    74 % aller Berliner sind für den Erhalt, so steht es auf den Plakaten. Meiner Meinung nach, wird die Wahlbeteiligung bei ca. 37% liegen und dass sollte dann in Etwa auch die Zustimmungsquote wiedergeben. Damit würde ich sagen das 63% aller Berliner gegen den Erhalt sein werden und das ist auch gut so!

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