Nach der doch etwas längeren Durststrecke der letzten beiden Jahre, hat es mich letzte Woche mal wieder auf einen polnischen Fluss verschlagen, auf die Drwenca. Ausgesprochen wird sie wohl als Drewenz oder Drewenza, auf jeden Fall ist sie ein wunderschöner kleiner Fluss, der irgendwo im Westen oder zumindest westlich der Masuren entspringt und in die Weichsel mündet.
Unsere Tour startete in Ostroda, dem Reggea Town Polens, und ich war bis Brodnica Teil unserer zweiköpfigen Reisegruppe. Der eigentliche Abschluss der Tour ist aber in Torun an der Weichsel, den der Reiseleiter zu dem Zeitpunkt, wo ich das hier tippe, noch fährt. Also, ich tippe das gerade abends und hoffe, dass er inzwischen nicht mehr paddelt, sondern schon das Lager aufgeschlagen hat.
Aber so genau weiß man das nicht, denn seine Tourplanung war diese Mal weit weniger nachsichtig als früher, wo er noch Rücksicht auf Befindlichkeiten der vergleichsweise diversen Reisegruppen genommen hat.
Es fing nämlich schon damit an, dass wir nach Ankunft am Sonntag um 18 Uhr in Ostroda, nach der Anlieferung meines Bootes und nach dem Zusammenbau seines Faltbootes, erstmal noch 10 – 12 km bis zum ersten Campingplatz über den Drewenzsee (Jezioro Drwęckie) paddeln mussten.
Nach zwei Stunden Paddeln im wunderschönen Licht der untergehenden Sommersonne erreichten wir unseren Zielort gerade so, dass wir noch im Restlicht des Tages aufbauen konnten. Mein Anbaden dieses Jahr fand dann bereits unter dem Sternenhimmel statt. Das war nice.
Ein kleines verstörendes Detail dieses Abends: Als unsere Zelte gerade standen und ich in die Badehose schlüpfen wollte, kam ein Typ auf dem Fahrrad vorbei und schimpfte wild über den Müll, der um die Feuerstelle verteilt lag. Zurecht natürlich, er hat aber recht schnell verstanden, dass wir gerade erst angekommen sind und der Müll nicht unser war. Dann hat er neben besagte Feuerstelle gepinkelt, einen Teil des Mülls genommen und ist wieder verschwunden. Wie gesagt, verstörend.
Tierbeobachtungen an diesem Tag: Trauerseeschwalben, die uns auf unserem Weg begleitet haben und ein Paar Kraniche, die ich aufgeschreckt habe, als ich einen Alternativplatz ausgekundschaftet habe.
Der Platz war eigentlich ziemlich idyllisch und perfekt, nur leider nicht so abgelegen, wie man sich das auf so einer Tour wünscht. Morgens um 4 (!) Uhr kam ein Angler vorbei, der erstmal sein riesiges Schlauchboot aufpumpen mussten. Um halb 8 (!) kam er mit besagtem Boot zurück und musste es wieder einpacken. Es ist nicht so, dass ich Ausschlafen groß auf dem Zettel hatte für die Woche – der Reiseleiter ist schlimmer Frühaufsteher – aber das fand ich etwas extrem.
Die erste richtige Etappe der Tour begann mit einer etwas kniffligen Umtragestelle: Wir mussten die Boote über die Bahnstrecke tragen, auf der wir angereist sind. Der Reiseleiter hatte sicherheitshalber den Fahrplan vom nächsten Bahnhof ausgedruckt, um Zeitfenster zu haben, wo wir ungefährdet die Gleise überqueren können. War ein guter Plan, der auch super funktionierte. Bis der erste Güterzug vorbei kam.
Überraschenderweise haben wir das trotzdem unbeschadet überlebt. War halt etwas anstrengend, wie das mit dem Umtragen immer so ist. Aber mittlerweile seh ich das ja auch gelassener als früher.
Kurz darauf waren wir Vorräte shoppen und hatten dann eine wunderschön entspannte Etappe auf der Drwenca vor uns. Der Fluss ist super geschmeidig, hat eine entspannte aber hilfreiche Strömung und nur ganz selten mal ein kleines Hindernis. Angeblich sind zumindest Teile des Flusslaufs Naturschutzgebiet, was das Naturerlebnis enorm steigert, es gibt an jeder Ecke spannende Tierbeobachtungen zu machen.
Also, man kann sicher auch spannende Pflanzen entdecken, aber mir hats eher die Tierwelt angetan und dabei hab ich das größte Augenmerk auf Raubvögel, die da echt im Dutzend kreisten. Ich scheitere leider grandios aber mit viel Begeisterung daran, die Viecher treffsicher zu klassifizieren.
Bei den Rotmilanen bin ich mir mittlerweile relativ sicher, wenn ich sie sehe. Die Adler, die ich sehe, sind aber vermutlich zu 90% nur Bussarde. Also „nur“. Ich hab ja nichts gegen Bussarde.
Eine der spannendsten Sichtungen war ein Rotmilan-Adler-Paar. Die beiden kreisten in trauter Zweisamkeit in der Thermik, was allein schon schön anzusehen war. Spannend wurde es, als ein zweiter Milan dazu kam und von dem ersten vehement verscheucht wurde. Keine Ahnung, was ich da gesehen habe, aber es war faszinierend.
Kurz darauf schwamm mir ein Biber vor das Boot. Ich vermute, dass selbiger und seine Freunde an den wunderschönen toten Bäumen schuld sind, die den Flusslauf so malerisch säumten.
Bei all der Schönheit, die einen einlud zu verweilen, war es recht praktisch, dass die Drwenca so eine angenehm entspannte aber doch signifikante Strömung hat, sonst wär ich vermutlich nie am Ziel angekommen. Die Etappen hat der Reiseleiter wie gesagt etwas progressiver geplant, nach etwa 26 km sollten wir das Ziel erreicht haben.
Das Ziel war eine Heuwiese am linken Ufer gegenüber eines Zulaufs von rechts. Das gegenüberliegende Ufer sah aber deutlich zugänglicher aus und statt auf der Wiese zu campen haben wir per Zufall den perfekten Campingplatz ein paar Meeter weiter im Wald entdeckt. So richtig mit Tischen und steinumrandeter Feuerstelle und Sitzbänken. Perfekt.
Und wenn ihr euch jetzt denkt: Milane, Adler und Biber, das ist ja Wahnsinn, was der Toba da alles schon an einem Tag gesehen hat! Dann habt ihr zwar Recht, aber das alles verblasst vollkommen gegen das, was noch kommen sollte an diesem wunderschönen Sommerabend.
Die Nacht brach erneut sehr zögerlich über uns herein, wie das in diesen Tagen kurz nach der Sommersonnenwende so üblich ist. Das Lager war aufgebaut. Wir saßen am Lagerfeuer, lauschten dem Waldkauz und tauschten unsere Beobachtungen des Tages aus. Und dann sah man sie in der Dunkelheit des Waldes.
GLÜHWÜRMCHEN!!!!
Keine Ahnung, wann ihr das letzte Mal in eurem Leben Glühwürmchen gesehen habt oder ob ihr überhaupt das Vergnügen hattet. Soweit ich mich erinnere, hatte ich das Vergnügen mal in den späten 80ern, im Ferienlager.
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ob die Tiere wirklich seltener geworden sind oder ob man sie im Alltag einfach nur nicht mehr wahrnimmt. Wir hatten das Glück, sie auf der kompletten Tour auf jedem der folgenden Plätze beobachten zu können, wo sie nach Einbruch der Dunkelheit so kurz vor 22 Uhr in den jeweils dunklen Ecken am Waldrand auftauchten. Von dort aus sind sie ausgeschwärmt auf die Wiesen bis sie gegen Mitternacht gar nicht mehr oder nur noch vereinzelt zu sehen waren.
Laut Wikipedia leuchten sie nur von Juni bis Juli. Also haltet ruhig mal die Augen auf, wenn ihr zu der Jahres- und Tageszeit in der wilden Natur unterwegs seid. Vielleicht habt ihr ja Glück. Es ist tatsächlich ein ziemlich magischer Anblick.
Am nächsten Morgen wurden wir um halb acht von Männern mit Kettensägen geweckt, die am anderen Ufer Bäume gefällt haben.
Ich will nicht sagen, dass ich das gut fand, aber verkehrt war das leider auch nicht, weil uns mit geplanten 37 km die längste Etappe der Tour bevor stand. Weil uns aber am Ende der geplante Platz nicht so gut gefiel – da lungerten uns zu viele junge Mädchen rum – und der benachbarte See dank zu vieler Angler und Möwen auch nicht so einladend auf uns wirkte, haben wir noch ein paar Kilometer dran gehangen und uns einen Platz auf einer wilden Wiese gesucht.
Dort sind wir zwei Nächte geblieben und haben nach der anstrengenden langen Etappe einen Pausentag eingelegt. Man muss allerdings sagen, dass die etwa 40 km erstaunlich entspannt vorübergingen. Wie gesagt, die Drwenca ist ein sehr entspannter Fluss.
An dem Platz selber hat uns dieses Mal ein Pirol unterhalten. Weiter flussabwärts war ein Drosselrohrsänger zu hören, den wir unterwegs schon kennenlernen durften, als wir eine Fischbrötchenpause einlegten.
Vielleicht ein Tipp an der Stelle. So ein Urlaub will ja eigentlich ein Ausstieg aus dem Alltag sein und eigentlich will man da auch komplett offline sein. Früher war das technisch bedingt, weil man eh keinen Empfang, kein Roaming und kein Akku hatte. Aber wir leben ja in der Zukunft und mit einer Powerbank im Gepäck und dem regelmäßigen Wechsel auf den Flugmodus, hält ein zeitgemäßes Smartphone so eine Tour entspannt durch und wenn man das schon dabei hat, dann soll man das halt auch nutzen.
Für mich ist die App BirdNET einfach Gold wert, weil man damit ein deutlich informierteres Bild über die Vogelwelt um einen herum bekommt. Man weiß dann einfach, welches Tier so penetrant krakelt oder so wunderschön singt. Wenn ich hier also groß mit Tiernamen um mich werfe, dann kommt das daher. Gesehen habe ich die wenigsten davon, weil die echt gut darin sind, sich im Schilf oder Wald zu verstecken.
Auf besagter wilder Wiese haben wir einen entspannten Pausentag verbracht, an dem exakt gar nichts passiert ist, außer dass ich noch vor neun von dem Bauern gegenüber geweckt wurde, der sein Heu gewendet hat. Nicht optimal, aber am Ende recht unterhaltsam und es hat Störche angelockt.
Meine dritte und letzte Etappe führte uns auf den Bachotek See, wo sich der Reiseleiter einen schönen kleinen Strand zum Verweilen ausgesucht hatte. Es war in der Tat der perfekte Platz für einen weiteren Pausentag, der auf dem Programm stand. Im Schilf vor uns sang der Drosselrohrsänger, im Wald hinter uns die Singdrossel und über uns kreiste regelmäßig ein Schwarzmilanpärchen.
Leider war dieser Strand aber auch im Privatbesitz. Pjotr, selbsternannter Basiskommandant des umliegenden Geländes, kam auch wenige Minuten nach dem Aufbau unserer Zelte mit seinem eigenen Paddelboot an und begrüßte uns freundlich. Netterweise hat er uns gestattet, zu bleiben und nur darum gebeten, dass wir das Feuer klein halten. Haben wir selbstverständlich auch gemacht.
Wenn der Reiseleiter einen Pausentag einplant, sollte man misstrauisch werden, er hat dann oft harmlos klingende Ausflüge vor. Diesmal ging es zum Fischimbiss am benachbarten See. Diese Seen sind aber alles andere als klein und leider hatten wir mittlerweile auch einen kleinen Wetterumschwung, so dass es sehr windig war. Es ist wirklich nicht so easy, mit einem leeren Boot über einen windigen See zu fahren. Immerhin hab ich einen Adler gesehen, das entschädigt ein wenig. Und der Fisch war auch lecker.
In unserer Abwesenheit wurden wir aber beklaut, trotz der Kameraüberwachung durch den Basiskommandant. Irgendwer hat jeweils genau einen Hering von unseren Zelten mitgenommen. Ich weiß auch nicht, was ich damit jetzt anfangen soll.
Und damit endete meine Tour auch schon fast. Wir mussten an meinem Abreisetag noch den See wieder zurückpaddeln, um wieder auf die Drwenca zu gelangen und dort noch ein paar Kilometer nach Brodnica paddeln, wo ich mittags in meinen ersten Zug steigen sollte.
Ich habe unterwegs noch ein verlorenes Schwanjunges getroffen, dass auf der Suche nach seiner Familie herumirrte und herzerweichend schrie.
Nett, wie ich bin und vielleicht auch, weils auf dem Weg lag, hab ich bei der Familienzusammenführung geholfen. Bei der Gelegenheit: Wir haben weder auf der Hin- noch auf der Rücktour einen Weg durch das Schilf gefunden, der auch nur ansatzweise für Paddelboote gemacht war. Falls ihr da mal lang fahrt: Versucht mal irgendwas in der Mitte zu finden, da könnte es gehen.
Es waren nochmal ein paar sehr schöne Kilometer, wo gefühlt jeder Vogel der Tour nochmal vorbei kam, um sich zu verabschieden. War ne schöne Tour, von der ich jetzt das restliche Jahr noch zehren werde. Dank an den Reiseleiter!
Die Rückreise war dann noch sehr ereignisreich, aber das schreib ich mal gesondert auf.