in live

Sauerstoff Musik Blitz

Sorry, bin ein wenig spät dran damit. Jetzt ist es schon fast eine ganze Woche her, seit ich morgens aus allen Ecken und Enden dieser Welt mit SMS und Mails bombardiert wurde, dass am Abend Röyksopp spielen würden und das auch noch kostenlos! Letzten Mittwoch schlug der O2 Music Flash mitten in die Hauptstadt ein und ich konnte mir das einfach nicht entgehen lassen.

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Röyksopp ist eine dieser Bands, vor denen ich wahrlich Ehrfurcht habe. Vor vielen Jahren kamen sie aus dem hohen Norden zu uns mit der perfekten Musik. Kein Debüt, wo man sympathisierend vor sich hin lächelte und anmerkte: Ja, aus denen wird nochmal was richtig Großes. Nein, Röyksopp waren von Anfang an richtig Groß, nur wollte das zunächst keiner so richtig mitkriegen. Als ich sie das erste mal beim Bizarre 2002 sah, stand ich quasi allein vor der Bühne und konnte nicht glauben, was ich hörte. Einige der Songs kannte ich schon, konnte sie aber bis dahin nicht zuordnen und vermochte auch vorher nie die Größe zu erkennen, die in ihnen lag, bis ich sie einsam und allein vor dieser Bühne stehend und tanzend in die Ohren geprügelt bekam.

Einige Monate später sah ich sie wieder, diesmal als Vorband für Moby. Hätte ich nicht vorher schon ein Ticket für das Konzert gehabt, die Ankündigung, dass Röyksopp als Vorband auftreten, hätten mich eins kaufen lassen. Diesmal durften sie eine wenig befüllte Arena beschallen, aber die Leute die da waren habens ihnen gedankt.

Drei Jahre später braucht es eine Werbeaktion von O2, um sie mal wieder zu Gesicht zu bekommen. Ich war mir sehr unsicher, was ich von dieser Veranstaltung erwarten sollte. Kostenlos bedeutet einerseits, dass die ganzen frustrierten Ossi anstehen werden, als sollte es Bananen geben. Andererseits ist Röyksopp nicht wirklich populär hierzulande, keinesfalls vergleichbar mit den Fantastischen Vier beispielsweise, die auf dem ersten O2 Music Flash gespielt hatten. Also hatte ich doch ein wenig Hoffnung, dass es entspannt über die Bühne gehen wird. Vorsichtshalber war ich aber trotzdem schon etwas früher da…

Hier gibts Bananen!
Hier gibts Bananen!

Rechtzeitiges Erscheinen und der Bühnenterrorist, der als Erster vor den geschlossenen Toren des Postbahnhofs ankam – unbestätigten Gerüchten zufolge hat er schon Monate lang dort gecampt – sicherten mir gute Plätze. Unsere Reisegruppe konnte sich recht weit vorne einreihen. Ich möchte auch anmerken, dass sich alle Anwesenden soweit sehr zivilisiert und zurückhaltend verhalten haben. Zunächst sammelten sich nämlich alle vor den Toren des Geländes. Als diese geöffnet wurden, gingen alle schön gemächlich Richtung Clubeingang. Es gab keine Panik, keine Gerenne und kein Gedränge.

Nach nur anderthalb Stunden Warten durften wir endlich die heiligen Hallen des Postbahnhofs betreten. Zur Begrüßung wurde uns allein tolles O2-Schlüsselband angedreht und drinnen wimmelte es förmlich vor netten hübschen Hostessen, die uns wärmstens O2-Verträge, Newsletter oder Fragebögen andrehen wollten. Auch wenn es eine verdammt coole Werbeveranstaltung war, es war eben immer noch eine Werbeveranstaltung.

Nach einem ersten erfrischenden Bier im Biergarten – die Warterei forderte ihren Tribut – vernahmen wir laute Klänge aus dem Konzertsaal. Die Vorband hörte auf den Namen Artist Unknown und begann mit ihrer Show. In Zeiten von Anti-Terror-Maßnahmen war ich ja schon ein wenig verwundert, dass die Jungs überhaupt so durften. Aber wer weiß was uns die Jeansmasken so ersparten.

Artist Unknown
Artist Unknown

Die Musik empfand ich als ziemlich langweilig. Da waren wenige Höhepunkte drin und die Beats konnten mich nicht mitreißen. Die Stimme vom Frontman – sofern man ihn denn so nennen kann, die beiden standen nebeneinander – klang mir auch irgendwie nach nichts. Er wollte wohl ein wenig so klingen wie Brain Molko, hatte damit aber keinen Erfolg. Auf mich machte das alles keinen großen Eindruck. Immerhin war die Show recht sehenswert, die die beiden da abzogen.

Artist Unknown
Artist Unknown

Auf einer Leinwand im Hintergrund wurde stets irgendwas thematisch Passendes zum Song eingeblendet, davor standen die Protagonisten hinter ihrem Equipment und schraubten fleißig rum. Ab und zu kam Bewegung in die ganze Sache, wenn der Sänger sein Gesang tanzlich untermalte. Etwas peinlich wurde es gegen Ende, wo er sich einen Skelettpanzer über die mittlerweile entblößte Brust schnallte und das Mikro als Phallusersatz mißbrauchte. Ehrlich gesagt war ich recht froh, als sie fertig waren.

Artist Unknown
Artist Unknown

Schließlich waren mittlerweile knappe 4 Stunden seit meiner Ankunft vergangen und wegen Artist Unknown war ich sicher nicht dort. Zum Glück war die Umbaupause angenehm kurz. Wozu genau sie dabei das Blechhäuschen auf die Bühne stellten, erschloss sich mir allerdings bis zum Schluss nicht so richtig.

Röyksopp
Röyksopp

Nach einem schicken kleinen Rock intro legten Torbjörn Brundtland und Svein Berge – fragt mich aber nicht wer wer ist – gleich mit ein paar alten Sachen los. So alt teilweise, dass ich sie nichtmal kannte. Circuit Breaker war das erste Stück von der neuen Platte und auch eines der schönsten. Gegen Ende des Songs betrat eine nett anzusehende aber noch viel netter anzuhörende Sängerin die Bühne, um den Part von Karin Dreijer zu übernehmen. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob das nicht vielleicht sogar Karin Dreijer war. Sie sah nicht genau so aus, wie die Bilder die ich im Netz auftreiben konnte, aber sie klang stark nach dem, was man auf dem Album zu hören bekommt. Nun, ja, wer auch immer sie war, sie hat ihren Job hervorragend gemacht. Sie blieb gleich anschließend noch für What else is there auf der Bühne und kehrte später nochmal für nen Remix von Sparks und Only this moment zurück.

Röyksopp
Röyksopp

Bei Only this moment demonstrierten die Norweger übrigens eindrucksvoll die Untanzbarkeit dieses Songs. Ich habe mich ja mittlerweile an das Stück gewöhnt und finde es lange nicht mehr so befremdlich wie beim ersten hören, tanzbar ist allerdings was anderes. Das konnte man auch dem Konzertpublikum ansehen und ich behaupte einfach mal ganz frech, dass das auch ein Grund dafür sein könnte, warum ihnen damit der Einstieg in die deutschen Charts verwehrt blieb. Für die Großraumdisse ist das Stück einfach zu anspruchsvoll.

Röyksopp
Röyksopp

Und was haben sie draus gelernt? Nix. Wie es aussieht, wird 49 percent die nächste Single. Ein Song, der genauso untanzbar ist. Nicht, dass er schlecht wäre, aber als Single erscheint er mir reichlich ungeeignet. Dabei mangelt das Album nicht an airplaytauglichen Songs, wie beispielsweise Circuit Breaker, Follow my ruin oder What else is there?

Röyksopp
Röyksopp

Follow my ruin haben sie die beiden übrigens für die erste Zugabe aufgesparrt. Die Stimmung im Saal war besser, als ich es während der Show dachte. So eine kostenlose Veranstaltung hat nämlich nicht nur Vorteile. Zwar waren ganz viele nette und liebe Menschen dort, die viel Spaß am Feiern und vor allem an der Musik hatten, aber es waren eben auch Leute da, die irgendwie nicht viel mit dem Ganzen anzufangen wussten. Ich will niemanden ausschließen, aber irgendwelche Skeptiker, Tanzunwilligen oder O2-Manager haben einfach nichts in der ersten Reihe verloren! Egal bei welcher Band. Wenn ich die Musik nicht mag, geh ich weg. Und wenn ich nicht tanzen will, dann schau ich von hinten zu. Auf gar keinen Fall aber stell ich mich nach ganz vorne und beschwer mich bei den Leuten, die dort tanzen und anständig Party machen wollen!
So, das musste mal gesagt werden.

Röyksopp
Röyksopp

Nichts desto trotz war die Stimmung insgesammt recht stimmig, so dass sich Röyksopp nicht lange bitten ließen für ihre Zugabe. Und danach ließen sie sich auch nicht sonderlich lange für eine weitere Zugabe bitten, die es wahrlich in sich hatte. Röyksopp werden ja gerne mit Air verglichen, wegen ihrer recht soften Gangart, vor allem auf den Veröffentlichungen. Sollte ich einen passenden Vergleich für das finden, was sie in der zweiten Zugabe gebracht haben, fielen mir so spontan nur Chemical Brothers oder The Prodigy ein, nur nicht so soft. Sie ließen es richtig krachen und eroberten ganz Rockstar-like die oberen Teile der Bühne. Torbjörn Svein Einer von beiden erklomm das Dach des kleinen Blechhäuschens und trommelte von da oben weiter, was recht putzig aussah, weil ein Rowdie daneben stand und das Becken hochhalten musste. Soweit ich beurteilen konnte, die einzige Daseinberechtigung für den Blechschuppen.
Aber es hat wirklich ordentlich gescheppert. Die letzten beiden Songs hießen übrigens Nok e Nok und Istanbul Forever. Letzterer hat eine ähnliche Melodie wie Poor Leno, ist aber eben ein wenig härter.

Röyksopp
Röyksopp

So, jetzt habe ich mal wieder viele Worte gefunden für einen Abend, der sich eigentlich gar nicht in Worte fassen lässt. Dabei habe ich sovieles noch gar nicht erwähnt. Es fehlt jeglicher Hinweis auf den Charme, den die beiden ausstrahlen. Obwohl sie mittlerweile echte Stars sind, merkt man ihnen die Bescheidenheit und Liebe zu dem was sie da tun, deutlich an. Es fehlt ein Wort über die Live-Drums, die dem ganzen elektronischen Setup erst so richtig Leben einhauchen. Und es fehlt eigentlich das Wichtigste. Nämlich die Tatsache, dass mich die Musik von Röyksopp schonmal alles um mich rum vergessen lässt. Auch die Nörgler und Spielverderber. Das sind Klänge, die glücklich machen. In diesem Sinne: Schaut sie euch an, wenn ihr auch nur irgendwie die Gelegenheit dazu habt.

Röyksopp - Setliste
Meine Beute: Setliste und Schlüsselband

Sorry übrigens für die schlechte Qualität der Fotos, aber die Lichtverhältnisse auf der Bühne waren recht kamerafeindlich. Außer bei den lauten und schnellen Songs, aber da wollte ich das gute zerbrechliche Stück nicht rausholen, da wollte ich feiern ;)

Zu guter Letzt noch Grüße an inkognito, die sich hinterher als Nachlader-Fan und six umbrellas – Leserin geoutet hat. War uns eine Freude.

  1. immer wieder schicke berichte, der herr – auch wenn ich die vom 4. und 13. lustiger fand, aber das liegt sicher daran, dass ich da auch dabei war… und : wer isn inkognito ?

  2. Danke, die Dame 🙂

    inkognito hat sich uns nur als inkognito vorgestellt. Sie war mindestens bei einem der beiden Nachlader-Konzerte. Jetzt weißt du genauso viel über sie, wie ich. Vielleicht outet sie sich ja selbst, vielleicht liest sie ja mit.

  3. aber ich bitte sie doch, der herr ! und gut, die einträge von „inkognito“ sind mir also entgangen… macht ja auch nichts 🙂 die 6 regenschirme sind jedenfalls funnystuff.

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