in live

Wunderkinder

Am Freitag (22.04.2005) war es endlich soweit: The Prodigy spielten endlich mal wieder live in Berlin. Das letzte Mal gabs das wohl vor 8 Jahren, damals noch in der Arena. Und ich hatte es damals verpasst. War ja klar.

Ich glaub, danach haben sie nur noch einmal auf dem Bizarre 2001 gespielt, das erste Mal seit Langem überhaupt wieder live. In der TV-Aufzeichnung (ich glaub, es war Rockpalast) vom Festival hat der Moderator leider bekanntgeben müssen, dass The Prodigy eine TV-Ausstrahlung nicht wünschen, da sie eben lange nicht live gespielt haben und sich unsicher sind. Ich war natürlich wieder nicht dabei.

Vor zwei Jahren konnte ich endlich mal annähernd in den Genuss von Prodigy Live kommen, als Keith Flint einen eher unerwarteten Auftritt auf dem Berlinova-Debüt gab. Ganz still und heimlich am Sonntag, spät in der Nacht nach dem Mainact und unter dem unauffälligen Namen Flint. Das war nett, dank des zurückhaltenden Marketings tanzten vor Keith, seinem Gitarristen, Bassisten und den beiden (!) Drummern gerade mal 20 Leute. Lauschig. Und sein einziger Deutschlandauftritt so far, soweit ich weiß. Aber: Ich war dabei.

Im Jahr darauf hatte ich gleich zweimal die Gelegenheit den aufgelegten Klängen von von Ex-Wunderkind Leeroy Thornhill zu lauschen, einmal im Kingpin in Frankfurt am Main und später nochmal auf dem Sonne, Mond und Sterne.

Solo waren die Jungs schon richtig gut, das sind Shows, die man nicht so schnell vergisst. Der Ruf von The Prodigy als Live-Act ist aber nochmal um Einiges besser. Lauschte man in den 90ern dem Rauschen des Blätterwaldes, hätte man den Eindruck bekommen können, Liam Howlett und seine Jungs hätten das Spielen auf Bühnen überhaupt erst erfunden. Ich war skeptisch.

Heute bin ich schlauer und weiß: Ja, sie müssens gewesen sein. Die habens erfunden, nich die Schweizer!

Aber wie immer, fang ich einfach mal am Anfang an. Zum Einlassbeginn war es vor der Columbiahalle erstaunlich leer. Hab schon überlegt, ob ich mich in der Location vertan hatte. Aber nein, es war einfach nur so leer. Vermutlich haben die 42 Euro, die diese geldgierigen Popstars großartigen Künstler unverschämterweise gerechtfertigterweise für ihre Show verlangt haben, einige potenzielle Fans abgeschreckt. Ich fühlte mich an Flint auf dem Berlinova erinnert und hab mich auf einen entspannten Abend gefreut.

Drinnen gabs viele hässliche T-Shirts zu kaufen. Mal ehrlich, die Schwarzmarkthändler draußen nach dem Konzert haben geileres Zeug im Angebot, als die meisten Bands offiziell verkaufen lassen. Kann da mal bitte jemand eingreifen?

Die wenigen Menschen verloren sich zunächst in den endlosen Weiten der Columbiahalle und lauschten den Klängen des DJ-Dreier-Gespanns, dass sich insgesamt etwa 1,5 h die Platten in die Hand gab. Im Gegensatz zu anderen Events schafften es diese Vor-DJs aber Stimmung in den voller werdenden Saal zu bringen. Die DJs nannten sich Tanith, ED 2000 und Circiut Breaker und warum sie nicht wie angekündigt auf der Aftershowparty spielten, lest ihr am Besten selbst nach.

Während der Umbaupause, in der die Plattenspieler und MP3-Player weggeräumt wurden, ist mir aufgefallen, wie voll es plötzlich geworden ist. Hinter mir standen lauter hässliche Kerle. Ehrlich! Die Halle war voll mit hässlichen bärtigen Typen, die irgendwie aggressive Botschaften auf ihren T-Shirts spazieren trugen und Bier verschütteten. Mit meinem Peace-Shirt war ich deutlich underdressed, ich hatte Angst!

Nur kurz dauerte die Ruhe vor dem Sturm, zu den ersten Klängen von Wake Up Call betrat die Band die blutrot erleuchtete Bühne. Nachdem alle ihre Position eingenommen hatten, gabs erstmal fette Their Law – Gitarrenriffs aufs Ohr. Dann hat Liam auf einen Knopf gedrückt. Push The Button und so – haha – vielleicht warens auch mehrere Knöpfe, jedenfalls wars plötzlich sehr laut und eng und ich von oben bis unten mit Bier vollgesifft. Um mich herum sprangen bärtige und bereits stark verschwitzte Männer mehr oder weniger gefühlvoll im Takt zum Krach. Prodigy ist der Grunge unserer Zeit und dieser Abend war der Beweis dafür. Echter Männersport!

Liam Howlett thronte über der Bühne in seinem eigenen kleinen Olymp. In Mitten seiner Sampler und Synthies ließ er keine Zweifel daran, wer hier der Boss war.

Hinten links saß der Drummer und (weniger weit) hinten rechts stand ein Gitarrist. Für die eigentliche Show waren aber Keith und Maxim verantwortlich, die zwar dem Olymp unterstellt waren, davon abgesehen aber ganz klar die Bühne im Griff hatten. Sie hatten einfach mehr Platz. Den brauchten sie aber auch, so wie sie über die Bühne fegten und sich dabei die Seele aus dem Leib schrien.

In der ersten Reihe hatte man sicher mehrfach Gelegenheit eine Speichelprobe zwecks Vaterschaftstest zu nehmen.

Nach etwa einer Stunde verließen sie die Bühne und ließen sich standesgemäß nochmal raus bitten. Es folgte eine Zugabe von weiteren vier Songs, also noch mal eine halbe Stunde, bevor sie nach der Mitgröl-Nummer Outer Space endgültig Feierabend machten. Den Feierabend haben sie sich aber wohl verdient. Das Publikum allerdings auch. Keiner von beiden hat bis zum Schluss auch nur den Hauch von Ermüdungserscheinungen gezeigt.

Gespielt haben sie eigentlich alle wichtigen Songs, Klassiker wie Poison, Firestarter, Breathe und Smack My Bitch Up und natürlich auch die aktuellen Sachen von Always Outnumbered, Never Outgunned, wie Spitfire oder Girls. Ich hab irgendwie keinen Song vermisst, auch wenn sie natürlich noch viele andere großartige Sachen gemacht haben. Aber es war im Grund genommen egal, was sie gespielt haben, bei der Band zündet der Sound eigentlich immer. Jedenfalls live. Langweilige Balladen gehören ja nicht unbedingt zu ihren Stärken ;)

Zwischendurch gabs auch zwei drei Nummern, die ich nicht wieder erkannt habe. Das war entweder neues Material oder – was ich eher vermute – Solostücke von Keith oder Maxim. Trotz geringerem Bekanntheitsgrad sind die Leute aber kein Stück weniger abgegangen.

Apropos Leute: Ich hab ja schon erwähnt, dass da nur hässliche bärtige verschwitzte Kerle rumsprangen. Stimmt natürlich so nicht. Die Frauen waren zwar in der Unterzahl, dafür aber umso hübscher anzusehen (und so nebenbei auch ganz gut im Einstecken und Austeilen). Es war aber in der Tat trotz allem das entspannteste Publikum, dass ich seit langer Zeit erlebt habe. Die Musik ist brutal und es wurde gedrängelt, gestoßen und geschubst, aber nie so, dass es genervt hat. Immer fair und gesittet, sofern man das Wort in diesem Zusammenhan gebrauchen kann. Es war einfach eine großartige Stimmung!!!

Also bei aller Skepsis die man angesichts der langen Kreativpause oder des neuen Albums haben mag, The Prodigy sind noch lange nicht abgemeldet! Ich hoffe nur, sie lassen sich nicht wieder so ewig Zeit…

Fazit: Geile Leute, Geile Band, Geiles Konzert! Scheiß teuer, aber jeden Cent wert!!!

Dieses Jahr spielen sie übrigens auf drei Festivals in Deutschland: Rock am Ring, Rock im Park und Sonne, Mond und Sterne. Hier gibts noch ein lesenswertes Interview.

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